Andre und Niclas sind mit der Running Deer auf ihrem Törn in die Karibik

von Peter

2021.02.26 Teil XXVI Bahamas/Long Island

Wir hatten gerade in Puerto Plata abgelegt, als uns eine erste Anfrage für das Boot über Facebook erreichte. Der Empfang war zum Glück noch gut genug, um dem Interessenten mitzuteilen, dass wir uns erst in 3 Tagen von Long Island wieder melden könnten. Der Interessent, ein Kanadier der zurzeit im Lockdown festsitzt, war über unser nächstes Ziel hoch erfreut, da er dort Freunde hat, die sich unser Boot für ihn anschauen könnten. Und auch wir waren positiv überrascht, wie schnell wir eine Rückmeldung auf unsere Anzeigen bekamen. Unser Vorhaben das Boot zu verkaufen ist immerhin mit einigen Ungewissheiten verbunden, die die weitere Planung unserer Reise durchaus schwierig machen werden.

Der Wind hielt weiter zu uns und wir legten die 320 Seemeilen bis nach Clarance Town auf Lang Island in knapp zweieinhalb Tagen zurück. Nacho tat sich mit ihrem neuen zuhause auf dem Wasser anfangs noch etwas schwer, nachdem wir aber im Landschutz der Turks & Caicos bei flacher Welle segelten, genoss auch sie unser Leben in vollen Zügen. Trotz kurzzeitiger Schwachwindphasen liefen wir mit der mittlerweile gut erprobten Schmetterlingsbeseglung immer mindestens 3-4 Knoten. So haben wir uns das Segeln auf dieser Seite des Atlantiks gewünscht! Etwa fünf Meilen vor Clarance Town schlug auch noch unsere Angel aus und Andre hievte nach einem harten Drill einen 1,40m Barrakuda aus dem türkisblauen Wasser. Vor unseren Augen sahen wir schon das prächtige Barbecue mit Mini am Abend. Wir machten am Public Dock fest und telefonierten mit dem Custom, um einklarieren zu können. Wieder einmal gestaltete sich unsere Einreise als schwierig: Andre hatte scheinbar kein Health Visa bekommen, das für die Einreise aber zwingend erforderlich war. Laut der E-Mail war das Labor, das wir angegeben haben nicht von den Bahamas zugelassen. Komisch war allerdings, dass das Labor bei Nacho, Ninja und Niclas anerkannt wurde. Eilig telefonierten wir mit der Service Hotline, die diesen Namen entgegen unserer Erfahrungen aus Deutschland auch wirklich verdient hat. Die Dame vom Health-Ministerium war super freundlich und tat alles um uns möglichst schnell zu helfen, da der Custom-Officer bereits wartete. Nach einer knappen Stunde konnten wir zum Glück alles regeln und auch Andre erhielt umgehend sein Health-Visa. Derweil nahm die nächste Katastrophe ihren Lauf: Mini hatte uns etwas zu überschwänglich besucht und ist auf ein Willkommensbier an Bord gekommen, bevor wir die Clearnce abwickeln konnten. Der Custom-Officer sah das gar nicht gerne und erklärte uns, dass er Mini nun in Haft nehmen müsste. Zudem würde eine Strafe von 5.000 USD anfallen und Mini würde nach Deutschland abgeschoben werden. Aus unserem freudigen Wiedersehen wurde schlagartig bitterer ernst. Und sogar Mini, der sonst immer ein Lächeln auf den Lippen hat und das Leben ziemlich locker nimmt (mittlerweile ist er schon halber Bahamaer), zeigte eine ungewohnt düstere Mine. Zum Glück kam der Barbesitzer Terance, der schon sein ganzes Leben auf Long Island wohnt und gut mit Mini befreundet ist, zur Rettung in letzter Sekunde. Kurz bevor der Customs-Officer die Polizei zur Verhaftung von Mini rief, konnte Terance ihn überzeugen, nochmal ein Auge zuzudrücken. Wieder einmal hatten wir großes Glück! Weniger glücklich waren wir mit unserem Barrakuda, da die Fische in dieser Größe giftig sein können und sich das Barbecue damit erledigt hatte. Wir fanden allerdings eine andere gute Verwendung. Im Hafenbecken von Clarance Town gibt es unzählige Bullen- und Tigerhaie. Wir lockten die Tiere mit dem Barrakuda an und genossen das blutige Naturschauspiel. Uns wurde aber auch klar, dass man in dem traumhaft blauen Wasser nicht überall schwimmen sollte.

Nach dem ersten Schock fuhr uns Mini über die Insel zur Thomson Bay, wo die Freunde von Doug, dem Interessenten für unser Boot, leben. Wir feierten unser Wiedersehen bis spät in die Nacht in Terance‘ Bar und schliefen auf den Netzen von Mini’s Trimaran. Vor der Pier konnte man Rochen, Schildkröten und Riffhaie bewundern. Die Bahamas geben sich viel Mühe mit dem Natur- und Umweltschutz und bieten so einzigartige Einblicke in die Tier- und Pflanzenwelt. Am nächsten Tag ging es weiter über die Insel zu Dean’s Blue Hole. Nur wenige Meter neben dem Strand geht ein Krater ca. 200 Meter tief ins Wasser und mündet in einer weit verstrickten Höhlenlandschaft unter der Ostküste von Long Island. Das zweittiefste Blue Hole der Welt ist ein wahres Paradies für Freediver. Als wir dort ankamen war jedoch niemand vor Ort und wir hatten diesen traumhaften Platz ganz für uns alleine. Danach ging es zurück zum Boot und auf Erkundungstour zu einer kleinen Insel direkt vor Clarance Town. Der Strand gefiel uns so gut, dass wir hier am nächsten Tag ein Barbecue mit unseren Bootsnachbarn aus der Schweiz veranstalteten. Wir holten so viele Kokosnüsse aus den Bäumen wie wir essen konnten. Außerdem trafen wir Evan wieder, der aus Puerto Plata mit der Luxusyacht „Alchemist“ nach Clarance Town gekommen war. Abends lud er uns zur Besichtigung der Yacht ein. Andre war besonders angetan vom Motorenraum, aber auch der Rest des riesigen Schiffes konnte sich gut sehen lassen. Bereits am Morgen dieses wunderbaren Tages besichtigten Mike und Roger, die Freunde von Doug, unser Boot und erklärten uns für völlig verrückt mit so einem kleinen Katamaran den Atlantik überquert zu haben. Sie waren sehr angetan wie robust und gut in Schuss unser Boot ist. Unsere Verkaufspläne entwickelten sich besser als wir es uns hätten vorstellen können.

Wir hatten nun genug von Clarance Town und segelten einen entspannten Tagestörn zum Nordwesten von Long Island. Dabei mussten wir sehr darauf achten, früh genug loszukommen, um unser nächstes Ziel im Hellen zu erreichen. Auf Long Island gibt es keinerlei Betonung und die teilweise sehr engen Riffe fährt man möglichst nur bei guter Sicht an. Erneut brachte uns unser Angelglück einen Barrakuda ein (dieses Mal ein kleineres Exemplar, das man sogar essen konnte). Wir erreichten die Calabash Bay am frühen Abend mit der untergehenden Sonne und konnten aufgrund unseres geringen Tiefgangs fernab von Hauptankerfeld einen Platz im weiten nichts finden. Direkt am Strand fanden wir einen der schönsten Plätze unserer bisherigen Reise. Unter zwei Holzpavillons war eine breite Hängematte mit Blick direkt auf die Bucht gespannt. Leicht in der Luft schwingend hatte man einen wundersamen Ausblick über das türkisblaue Wasser, den schneeweißen Sand und die purpurnen Steinklippen, die von der herabfallenden Sonne in einen gold-karamellen Farbton getränkt wurden. Mini und die Jungs von der Double Twenty kamen uns zum Fischbarbecue besuchen und wir genossen die traumhafte Aussicht bis weit nach Mitternacht. Niclas gefiel es so sehr, dass er beschloss die Nacht mit Barry in der Hängematte zu verbringen. Und es war wirklich eine magische Nacht mit einem Sternenhimmel wie man ihn nur selten sieht. Am nächsten Morgen sollte es weiter gehen nach Georgetown auf Great Exuma. Alle waren abfahrtbereit als uns auffiel, dass ein Crewmitglied fehlte: Barry war nach der Nacht am Strand nirgends mehr zu finden. Über eine Stunde suchten wir unseren kleinen Gefährten, bis wir einsehen mussten, dass Barry einen neuen Platz gefunden hat. So schwer es manchmal fällt, die Abschiede gehören zum Leben eines Seglers (und einer Seekatze) wie selbstverständlich dazu. Wir beschlossen also unseren guten Freund auf der Suche nach neuen Abenteuern ziehen zu lassen. Unweit des Pavillons gab es eine kleinere Stadt, sodass wir zuversichtlich sind, dass Barry einen guten Ort zum Leben gefunden hat.

Derweil entwickelte sich unsere Verkaufsverhandlung mit Doug zu einem Auf und Ab. Zwar ist er begeistert von unserem Boot, allerdings fällt es ihm nachvollziehbarer Weise sehr schwer ein Boot zu kaufen, das er selbst nie gesehen hat. Wir hingen also wieder etwas in der Luft mit dem Verkauf unseres Boots, obwohl es natürlich noch einige andere Interessenten gab. Die Kommunikation war mittlerweile zu Niclas Nebenjob geworden, den er hoffentlich bald wieder beenden kann. Mit schwerem Herzen geht es somit heute ohne Barry weiter nach Georgetown, wo wir Evan und die Crew der Alchemist wiedertreffen und ein paar weitere Tage verbringen werden. Danach geht es weiter die Exuma Inseln hoch, die mit zu den schönsten und exklusivsten Segelrevieren der ganzen Welt gehören. Nacho und Ninja freuen sich insbesondere auf die schwimmenden Schweine und Andre und Niclas hoffen, den Verkauf des Bootes schnell zu erledigen, um noch ein paar absolut stressfreie Wochen auf den Bahamas zu haben.

Bald können wir euch von noch mehr einzigartigen Naturschauspielen, neuen Freunden und türkisblauem Wasser, so weit das Auge reicht, berichten!

Ahoi

Andre & Niclas

2021.03.19 Teil XXV Dominikanische Republik

Die zwei extra Segeltage zur DomRep boten die perfekte Erholung von den Strapazen auf den Virgin-Islands. Wieder küsste uns die Sonne und der Wind ist mittlerweile zu unserem besten Freund geworden. Treu stand er an unserer Seite, bis wir die Hafeneinfahrt von Punta Cana erreichten, bevor auch er sich eine Pause gönnte und Flaute einsetzte. Wir hatten eine großartige Zeit mit den Mädels, kochten gut und genossen die Ruhe auf dem Ozean, während wir an der langen Südküste von Puerto Rico vorbeisegelten. Kurz vor der Hafeneinfahrt wuchs die Spannung. Zwar hatten wir gelesen, dass außer einer Temperaturmessung keinerlei Coronabeschränkungen zu erwarten seien, aber wir hatten unsere Pläne auch in großer Eile machen müssen und waren schon zu oft überrascht worden. So gab Andre den Befehl das ganze Boot auf Vordermann zu bringen und sich bloß etwas Sauberes anzuziehen, um keinen schlechten Eindruck bei den Customs zu machen. Ein durchaus ungewöhnliches Kommando auf der Running Deer, das unserem alten Boot aber sicherlich mal wieder sehr gut tat. Etwa eine Meile vor der Marina erhielten wir auch endlich eine Antwort auf unsere Funksprüche mit näheren Anweisungen zur Hafeneinfahrt. Diese war zwar schmal, aber deutlich besser betont als noch auf den Virgin Islands.

Der erste Blick auf die dominikanische Küste ließ unsere Herzen höher schlagen: Lange Palmenketten, weiße Sandstrände und ein sehr edel anmutendes Marinagelände prägten unsere ersten Eindrücke. Während wir in das riesige Marina-Ressort hineinfuhren, folgte uns der Marinero auf einem kleinen Golfcaddy an der Kaimauer entlang und gab uns über Funk weitere Instruktionen. Die Marina war überraschend leer und es waren hauptsächlich Luxusfischeryachten zu sehen. Viele Touristen schienen jedenfalls nicht hier zu sein. Nachdem wir festgemachten hatten, freuten wir uns sehr über die Auskunft der Marineros, dass es tatsächlich keine größeren Coronabeschränkungen bei der Einreise geben würde. Die Customs waren schon verständigt und würden in wenigen Minuten unsere Einklarierung direkt vor Ort abwickeln. Nach etwa einer halben Stunde kam eine ganze Armada von acht Offiziellen zu unserem Boot. Zwei Soldaten, zwei Polizisten, eine Frau vom Customs Service, ein Mann vom Veterinäramt, der Barry sehen wollte, und zwei Beamte von der Drogenfahndung sollten sich um unsere Einreise kümmern. Einen solchen Aufwand hatten wir nicht wirklich erwartet, aber nachdem wir den Customs ein paar kalte Bier anboten, wurde die Stimmung ziemlich entspannt. Die Zusammenarbeit mit den Behörden wird von nun an wohl etwas anders laufen als wir das aus Europa gewöhnt sind. Der Papierkram war schnell erledigt und wir sollten für 4 Visa samt der Einklarierung etwa 160 USD bezahlen, was uns vollkommen in Ordnung erscheint. Nur hatten wir leider auf Guadeloupe nicht mehr daran gedacht uns Dollar zu besorgen und in Euro hätten wir die gleiche Summe bezahlen müssen, was bei dem derzeitigen Wechselkurs ein schlechter Deal gewesen wäre. Doch auch hier waren die Dominikaner überäußerst gastfreundlich und ein Marinero fuhr mit Niclas zum Geldautomaten, wo er dominikanische Pessos abheben konnte. Nachdem die Customs bezahlt waren, es war mittlerweile gegen 7 Uhr abends, gingen wir eine Runde über das imposante Marinaressort und suchten nach Wifi. Wir fanden eine kleine Lobby und konnten unseren Familien mitteilen, dass wir über Umwege nun endlich in einem neuen Land Halt machen durften. Auf unserer weiteren Runde durch die Marina trafen wir ein paar Fischer, die uns frisch gefangenen Barrakuda für das Abendessen schenkten. Auf dem breiten Betonsteg direkt neben unserem Boot konnten wir perfekt den Grill anschmeißen und unsere herzliche Ankunft in der DomRep feiern.

Am nächsten Tag kümmerten wir uns um einen Leihwagen und warteten in einer kleinen Bar direkt an der Hafeneinfahrt auf unsere Freunde von der Double Twenty. Als die Jungs gegen Nachmittag ankamen waren wir schon gut mit allen Marineros befreundet und halfen direkt beim Anlegemanöver. Mit den Goldcaddys durch das weite Ressortgelände zu fahren war ein besonderer Spaß, den wir so bisher von keinem Hafen kannten. Als Leihwagen besorgten wir uns einen 7-Sitzer, um mit den Jungs einen Roadtrip durch die DomRep  unternehmen zu können. Am Samstag ging es los, wir fuhren zuerst über Boca Chica zur Inselhauptstadt Santo Domingo. Mit 7 Leuten erstmal loszukommen war dabei schon ein Abenteuer für sich. Bis alle Mann (und Frau) fertig im Auto waren, war bereits der halbe Tag vergangen. In Boca Chica waren wir so etwas wie eine Touristenattraktion, als einzige Weiße zogen wir mit unseren grell blonden Haaren alle Blicke am Strand auf uns. In Santo Domingo kamen wir erst abends an und fanden aufgrund der Sperrstunde ab 21 Uhr nicht mehr wirklich viele Aktivitäten. Auch ein Hostel oder günstiges RBnB ließ sich nur schwer auftun. Nach einer kleinen Privatparty in einer Bar beschlossen wir daher den Heimweg zur Marina anzutreten und den Roadtrip am Sonntag neu zu starten. In der Marina hatten die Bars noch länger auf und wir konnten zum Abschluss des Tages Ele’s Geburtstag feiern. Am nächsten Tag konnten wir deutlich früher starten und fuhren dieses Mal in die andere Richtung zum Norden der Insel. Auf dem Weg besorgten wir uns noch eine Simkarte und nun übernahmen die Mädels glücklicherweise die Planung. Nach etwa fünf Stunden Fahrt kamen wir auf der Halbinsel Samana in einem kleinen Hostel an. Das La Ballena bietet eine gemütliche Unterkunft in Doppelzimmern und hat einen großen Gemeinschaftsraum in dem allerhand Locals und Backpacker ein- und ausgehen. So lernten wir bereits am ersten Abend eine Menge Leute aus aller Welt kennen und erlebten deutlich mehr von der DomRep als es in unserem Luxusmarinaressort jemals möglich gewesen wäre. Die Marina ist zwar gut geschützt und perfekt, um das Boot dort eine Woche stehen zu lassen, aber das Ressortgelände gleicht einer Parallelwelt, die mit der wahren DomRep nicht viel zu tun hat.

Den nächsten Tag nutzten wir um Samana zu erkunden. Zuerst ging es zum Boca del Diablo. Eine einzigartige Klippenlandschaft, die so vom Wasser ausgehöhlt wurde, dass ein mächtiger Schall durch die Felsen in die Höhe donnert, wenn die Wellen untern den Felsen brechen. Die Anfahrt dorthin führte über einen schmalen Dschungelpfad, der für unseren sehr tief liegenden Dodge eine einzige Tortur war. Zudem folgten uns auf dem verlassenen Pfad zwei Männer in Straßenklamotten auf einem Motorrad, die uns sagten sie seien Polizisten, jedoch mehr nach Straßenräubern mit bedruckten Stoffmützen aussahen. Am Parkplatz angekommen waren wir etwas nervös, da wir nicht wussten, was die beiden bewaffneten Männer von uns wollten. Als wir ausstiegen und uns umsahen kam einer der beiden zu uns und erklärte uns, dass sie tatsächlich Polizisten seien, die uns nur gefolgt sind, um uns vor Räubern in der einsamen Umgebung zu schützen. Natürlich waren wir etwas beschämt unsere beiden Beschützer unter einen ungerechtfertigten Generalverdacht gestellt zu haben, jedoch ist in der DomRep auch eine gewisse Vorsicht geboten. Am Nachmittag fuhren wir weiter zu einem der Traumstrände in der Bahia de Samana. Wir holten etwas Schlaf unter den Palmen nach und aßen sehr gut und günstig in einem kleinen Strandrestaurant. Als wir wieder losfahren wollten sprang unser Auto nicht an. Scheinbar war der Kofferraum zu vollgepackt, wodurch die Klappe nicht richtig zu ging und das Licht durchbrannte. In der abgelegenen Gegend ein Überbrückungskabel und eine Starterbatterie zu finden würde ziemlich schwierig werden. Zum Glück kam ein kleiner Lkw dessen Ladeplatte voll mit jungen Leuten besetzt war vorbei. Die Dominikaner waren wieder einmal großartige Gastgeber und taten alles, damit wir den Wagen wieder starten konnten. So fuhr einer von ihnen mit Andre auf dem Motorroller los, um ein Kabel zu besorgen. Derweil lösten Niclas und die anderen Locals das Problem sehr viel pragmatischer. Sie bauten die Batterie aus dem Lkw aus und hielten deren Kontakte unmittelbar an die Kontakte des Dodge. Nach einigen Versuchen sprang der Wagen wieder an. Kurz danach kam Andre mit einem losen „Überbrückungskabel“ zurück, das uns aber vermutlich beim ersten Anlassen komplett durchgebrannt wäre. Unsere erste Panne hatten wir damit auch glücklich überstanden. Abends ging es zurück ins Hostel, wo wir den Tag mit einer weiteren wilden Party und Volleyball auf der Straße ausklingen ließen.

Es war nun fast die halbe Woche unseres Roadtrips vergangen und wir wollten unbedingt noch etwas weiterfahren. Die nächsten Tage ging es in den Dschungel zu imposanten Wasserfällen, in einem kleinen Bergdorf in der Mitte der DomRep wandern und dann über die Südostspitze mit ihren weiten Sandstränden zurück nach Punta Cana. Rückwirkend saßen wir wahrscheinlich etwas zu viel im Auto und hätten uns mehr Zeit für einen Teil der DomRep nehmen sollen, als zu versuchen, die riesige Insel in nur 7 Tagen vollständig zu erkunden. Trotzdem war der Roadtrip eine großartige Idee, um sich mit Land und Leuten vertraut zu machen. Zudem ist die DomRep nicht das beste Segelrevier. Außer in der Bahia de Samana gibt es nur wenige Ankergelegenheiten und bei jedem Verlassen eines Hafens muss man neu aus- und einklarieren. Außerdem planten wir zumindest die Nordküste auf unserem Weg zu den Bahamas noch etwas erkunden. Während wir über die Insel rollten, bewachte Barry unser Boot und die freundlichen Marineros gaben ihm Futter und Wasser. Dennoch schien Barry nicht wirklich glücklich über unsere Abwesenheit gewesen zu sein. So funktionierte er unsere Kammern in seine neuen Toiletten um. Nach unsere Rückkehr stand somit erstmal ein größerer Waschtag auf dem Programm. Für die Matratzen zweckentfremdeten wir unser Dinghy und fühlten es an der Pier mit Wasser und Waschmittel auf. Endlich erwies sich Andre’s Musikgeschmack mal als nützlich und wir stampften zu lautem Techno auf den Matratzen im Dinghy herum.

Dann wurden wieder fleißig Pläne geschmiedet. Die Double Twenty entschied sich bis Montag in Punta Cana zu bleiben und dann direkt zu den Bahamas zu fahren, wohingegen wir mehrere Tagestörns entlang der Nordküste der DomRep bevorzugten. Ele und Danae konnten einen günstigen Flieger nach Miami finden und verließen uns nach dem Roadtrip wieder. Die Beiden waren in jeder Hinsicht eine Bereicherung für unsere Reise und wir hatten eine großartige Zeit zu Land und zu Wasser. Am Samstag stachen wir wieder in See. Ein ungewohntes Gefühl, wir waren zum ersten Mal seit Spanien wieder nur zu zweit unterwegs. Und die Ruhe auf der Running Deer tat uns richtig gut. Mittlerweile sind wir ein so gut eingespieltes Team geworden, dass auch Nachtfahrten zu zweit überhaupt kein Problem mehr sind. Ohne eine feste Aufgabenverteilung zu haben, übernimmt jeder einen Teil der täglich anfallenden Aufgaben und das Boot fährt gefühlt wie von alleine (natürlich leistet auch unser Autopilot „AP-Baxxter“ nach wie vor hervorragende Dienste). Wir segelten die Nacht durch bis zur Bahia de Samana, die uns auf dem Roadtrip am besten gefallen hatte, und gingen vor einer kleinen Trauminsel vor Anker. Mit den Traumspots verhält es sich in der DomRep ähnlich wie schon auf Guadeloupe: Den Tag über sind sie völlig überlaufen von Touristen und Tagescharterern. Aber wer die Geduld besitzt bis abends auf seinem Boot auszuharren und erst dann an Land zu gehen erhält meist ein ganzes Paradies nur für sich alleine. Nachdem wir so die zweite Nacht im Lee der Cayo Levantado verbrachten, war es mit der trauten Zweisamkeit auch schon wieder vorbei. Wir fuhren nach Samana, wo sich Marie – eine neue Freundin aus dem Hostel – uns anschloss. Eigentlich wollten wir noch am gleichen Tag weiter in den Nationalpark, der mit seinen weitflächigen, befahrbaren Mangrovenwäldern begeistern soll, doch zeigte sich nun ein weiteres Mal, warum die DomRep wahrlich kein Traumrevier für Segler ist. In jedem Hafen muss man erneut ein- und ausklarieren. Das kostet zwar kein zusätzliches Geld, aber eine Menge Zeit und Geduld. So war der zuständige Marineoffizier an diesem Tag nicht im Büro und niemand konnte unsere Ausklarierung abzeichnen. Der Agent, der als Vermittler zwischen den Seglern und der Navy fungiert, sagte uns aber wir könnten den Tag über rausfahren. Nichts ahnend beschlossen wir uns die Wale anzuschauen, für die die Bahia de Samana berühmt ist. Wir segelten mit Marie zusammen einen entspannten Tagestörn durch die Bucht und fingen auf dem Rückweg sogar noch einen Thunfisch. Als wir wieder in der Ankerbucht ankamen, kam uns ziemlich aufgebracht der Agent mit seinem Dinghy entgegen. Wir hatten ihn scheinbar falsch verstanden und er hatte uns nur das ok gegeben zum Nationalpark zu fahren, nicht aber zum Whalewatching. Letzteres ist illegal, sobald man einmal in Samana einklariert hat. Wir entschuldigten uns für unseren Fauxpas und wunderten uns erneut über die undurchsichtigen Regelungen in der DomRep. Abends kochte Andre einen prächtigen Fischauflauf und wir trafen uns mit Freunden von Marie an Land zu einer gemütlichen Runde.

Am nächsten Tag ging es bereits weiter. Es war schon Dienstag und das gute Wetterfenster, um zu den Bahamas überzusetzen würde sich am Sonntag schließen. Zudem mussten wir noch einen Coronatest machen, um auf die Bahamas einreisen zu können. Wir verbrachten mit Marie eine weitere Nacht auf dem Wasser und segelten nach Puerto Plata, unserer letzten Station in der DomRep. Auch hier war die Marina wieder an ein Ressort angeschlossen und entsprechend verlassen. Allerdings trafen wir Evan wieder, den wir bereits in Punta Cana kennengelernt haben. Evan ist Chief Ingenieur auf einer Luxusyacht und verbringt die meiste Zeit damit, die Yacht hin- und herzufahren. Außerdem stiegen in Puerto Plata die beiden super coolen Schweizerinnen Nadja und Annina (auf der Running Deer unter Nacho und Ninja bekannt) zu. Wir hatten die beiden ebenfalls im Hostel kennengelernt und Andre’s offensives Angebot mit uns zu den Bahamas zu segeln konnten sie kaum ausschlagen. Zu sechst verbrachten wir noch einen Tag in Puerto Plata und einen Tag zum Kite-Surfen in Cabarate, bevor es heute zu viert weiter Richtung Long Island auf den Bahamas geht. Erneut haben wir mit Nacho ein Segelgreenhorn an Bord, aber wir sind zuversichtlich, dass die beiden Mädels genauso viel Freude am Segeln finden werden wie wir. Auf Long Island wartet bereits unser guter Freund Mini auf uns, da er dort die letzten Wochen einen Trimaran instandgesetzt hat.

Zudem wird unsere Reise ein weiteres Mal eine völlig neue, ungeplante Wendung nehmen. Bereits seit einiger Zeit haben wir dem Gedanken gespielt, das Boot in der Karibik oder vielleicht in den USA zu verkaufen und mit einem Van zu einem Roadtrip durch Amerika aufzubrechen. Die Gründe dafür sind vielseitig: Der raue Nordatlantik erfordert es, dass wir das Boot in einen absoluten Topzustand versetzen, bevor wir zurück nach Europa segeln. Dazu wären wieder mal eine Menge Zeit, Geld und Arbeit erforderlich, die wir auf den Bahamas aufbringen müssten, wo wir eigentlich (nur) (noch mehr) Urlaub machen wollen. Nach der anstrengenden Zeit auf Guadeloupe sind wir das Reparieren leid und wollen die Reise in vollen Zügen genießen. Natürlich war uns von Anfang an klar – und jeder Langfahrtsegler sagt dasselbe –, dass die vielen Arbeiten am Boot Part of the Deal sind und schlichtweg dazu gehören. Wir haben uns auch nie vor diesem Teil des Abenteuers gedrückt und das Boot stets in einem sehr guten Zustand gehalten. Doch die vielen Meilen, die wir in kürzester Zeit zurückgelegt haben, fordern von unserer betagten Running Deer auch regelmäßig hohen Tribut. Nach langen Überlegungen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es für das Boot und für uns das Beste ist, von Segeln auf Räder zu wechseln und unsere Reise auf diese Weise fortzusetzen. Außerdem besteht so die Möglichkeit, noch länger unterwegs zu sein, da die Lage in Deutschland und Europa eine Rückkehr im Moment nicht besonders attraktiv erscheinen lässt (zumindest für Niclas, Andre wird spätestens ab August wieder auf der „Mellum“ gebraucht). Zuletzt war es von Anfang an der Plan, das Boot nach der Reise zu verkaufen. Daher haben wir die Running Deer am letzten Tag in der DomRep schweren Herzens aber auch voller Vorfreude auf neue Abenteuer im Internet inseriert. Wir halten uns auf jeden Fall die Option offen, doch noch über den Nordatlantik zurück zu segeln, aber falls wir bereits hier einen Käufer finden sollten, steht unsere Entscheidung fest. Eine Entscheidung, die wir selber so nie kommen gesehen hätten, aber die uns ziemlich sicher weitere wunderbare Erlebnisse bescheren wird!

Die zwei aufregenden Wochen in der DomRep, die uns der Zufall geschenkt hat, boten nochmal völlig neue Eindrücke in das karibische Leben. Obwohl die vielen Inselstaaten der Karibik nur weniger Meilen auseinander liegen, hat jeder kulturell wie auch landschaftlich und seglerisch seine ganz eigenen Wunder zu bieten. Eines war jedoch bisher allen unseren Zielen gemeinsam: Die große Gastfreundlichkeit, die Neugier auf Fremde und eine lockere Einstellung zum Leben, von der wir in Deutschland viel lernen können. Jetzt freuen wir uns sehr darauf, die Bahamas mit unseren zwei neuen Begleiterinnen zu erkunden und sind gespannt, wie es mit unserem Boot weitergeht. Auf jeden Fall beginnt nochmal ein neues Kapital unserer Reise, wir verlassen die Karibik und begeben uns auf den Nordatlantik. Die beständigen Passatwinde sind von nun an keine Selbstverständlichkeit mehr und wir wurden bereits vorgewarnt, dass es auf den Bahamas umso mehr auf eine gute Eyeball Navigation (d.h. eine Navigation durch schmale Riffe nur mit den Augen, da es kaum Seezeichen gibt und sich die Verhältnisse so schnell ändern, dass die meisten Seekarten inakkurat sind) ankommen wird.

Ahoi

Andre & Niclas

2021.03.02 Teil XXIV US-Virgin Islands

Die Sonne strahlte, der Wind blies mild von achtern und die Wellen schoben uns sanft gen Westen. Zwar wurde Ele bei ihrem allerersten Segeltörn am Anfang etwas seekrank, doch das legte sich schnell und am zweiten Tag genossen wir alle die Sonne auf der Vorschiff-Lounge. Wir mussten erneut nur die große Genua ausrollen und kamen so zügig voran, dass wir Christiansted auf Saint Croix entgegen unserer Pläne bereits Montagnacht erreichen konnten. Die letzten Meilen gestalten sich zu einer kleinen Regatta. Bereits am Abend konnten wir die Double Twenty, der wir auf Guadeloupe 8 Stunden Vorsprung gelassen hatten, auf dem AIS wiederentdecken und wollten den Anker unbedingt vor ihnen fallen lassen. Für ein modernes Land war die enge Einfahrt in die Ankerbucht ziemlich schlecht ausgetont und die spärlich gesetzten Tonnen waren nicht einmal beleuchtet. Die Ankunft hatten wir uns deutlich einfacher vorgestellt, aber der Suchstrahler leistete uns gute Dienste und wir kamen ohne größere Schwierigkeiten zu unserem Ankerplatz. Nach einem geübten Ankermanöver beendeten wir die 240 Meilen Etappe knapp vor den Jungs von der Double Twenty. Noch in der Nacht kümmerten wir uns um die elektronische Anmeldung bei den Customs, was ohne Internetflatrate, die wir auf Guadeloupe mit unseren EU-Simkarten noch hatten, gar nicht so einfach war.

Am nächsten Morgen ging es mit dem Taxi zum Flughafen, um die Einklarierung abzuwickeln. Dort nahm unsere Reise eine völlig neue Wendung. Die Customs sagten uns, dass unser elektronisches ESTA-Visa bei der Einreise mit einem privaten Segelschiff nicht ausreichen würde. Über eine Woche hatten wir auf Guadeloupe damit verbracht, uns über die Einreisebestimmungen und Coronabeschränkungen in den USA zu informieren. Fünf verschiedene Ansprechpartner teilten uns dabei mit, dass ein negativer Coronatest und ein ESTA für die Einreise ausreichen würden. Nun standen wir am Flughafen und unsere Optionen waren ein Visum für knapp 600 USD pro Person zu beantragen oder die USA binnen der nächsten 12 Stunden wieder zu verlassen, um nicht in Abschiebehaft genommen zu werden. Einmal illegal in die USA einreisen konnten wir damit von unserer Bucketlist streichen. Das Land, das sich selber als „Home of the Brave“ sieht und maßgeblich von Einwanderern aufgebaut wurde, scheint große Angst vor Fremden zu haben. Die aberwitzigen Bestimmungen – so erklärte man uns – würden es uns jedoch erlauben, mit einer kommerziellen Fähre in die USA einzureisen, unseren Pass abstempeln zu lassen und dann mit dem privaten Schiff zurückzukommen. Die einzigen Inseln von denen aus das für die US-Virgin-Islands möglich ist, die British Virgin-Islands, waren jedoch wegen Corona gesperrt. Da wir keine 600 USD für das Visum ausgeben wollten, blieb uns nur die Möglichkeit in Windeseile neue Pläne zu machen und weiter zu segeln. Gegen zwei Uhr nachmittags kamen wir vom Flughafen wieder am Hafen an und suchten uns eine Bar mit Wifi, um uns neu aufzustellen. Wir loteten alle unsere Möglichkeiten aus und trafen dabei immer wieder auf dasselbe Problem: Die meisten anderen Länder auf unserer Route setzten für die Einreise einen negativen PCR voraus. Einen solchen innerhalb von 12 Stunden auf den US-Virgin Islands zu bekommen war aber schlicht unmöglich. Andre versuchte daher erneut bei den Customs anzurufen, die ihm zwar wiederum eine Absage erteilten, uns aber den Tipp gaben, dass die Einreisebeschränkungen in der nur 250 Meilen entfernten Dominikanischen Republik recht mild seien. Wir recherchierten weiter im Internet und kamen tatsächlich zu dem Schluss, dass die DomRep die beste Option für uns ist. Am Ende eines wirklich nervenaufreibenden und stressigen Tages bäumten wir uns noch einmal gegen die Müdigkeit auf und setzten die Segel, um innerhalb der nächsten beiden Tage hoffentlich unseren Safe Harbour in der DomRep zu finden.

Erneut wurden unsere Pläne völlig über den Haufen geworfen. Keine Neuheit für uns und mittlerweile gehört die rasche Improvisation zu unserem Handwerkzeug. Gerade die tägliche Ungewissheit ist ein Reiz, der unser Abenteuer ausmacht. Morgens nicht zu wissen, wo man abends schlafen wird, hat seinen ganz eigenen Charme. Diese Nacht werden wir entgegen jeder Erwartung wieder auf hoher See unter den Sternen verbringen. Und auch unsere beiden Begleiterinnen, Ele und Danae, verstehen nun immer mehr, was ein Leben auf See bedeutet. Eigentlich wollten sie von den Virgin Islands zügig weiter nach Miami. Nun setzen die beiden ihre Reise vorerst mit uns fort und hoffen von der DomRep aus einen Flug in die USA nehmen zu können.

Wie es mit unserem Abenteuer weitergeht berichten wir euch als nächstes aus der DomRep. Doch eines ist Gewissheit: Der Wind hat uns bis hierher getragen und er wird uns auch noch viel weiter bringen. Auch in unserer Heimat kämpfen gerade viele Menschen mit großer Ungewissheit. Natürlich sind unsere Situationen kaum vergleichbar, aber Ungewissheit ist nicht immer negativ und wer lernt, aus jeder Lage das Beste zu machen und immer weitergeht, wird früher oder später vom Leben belohnt werden!

Ahoi

Andre & Niclas

2021.02.28 Teil XXIII Guadeloupe & Islands

Unsere Überfahrt nach Marie-Galante erwies sich leider härter als erwartet. Ein weiteres Mal mussten wir uns einen Weg durch Labyrinthe von Fischertonnen bahnen. Dabei ließ sich einmal eine Patenthalse nicht mehr vermeiden und der Baum schlug mächtig vom Steuerbord- auf den Backbordbug um. Ein misslungenes Manöver, das uns noch viel Spaß bescheren sollte… Zudem kamen der Wind und damit vor allem auch die gewaltige Atlantikwelle nördlicher als erwartet und wir mussten unsere arme Running Deer ein weiteres Mal durch die schwere See prügeln. Rückwirkend hätten wir vielleicht besser den Weg über die Leeseite von Martinique wählen sollen, der uns aber spätestens vor Guadeloupe in ähnliche Schwierigkeiten hätte bringen können. Auch der nötige 12 Seemeilen Abstand von Dominica wäre dann vermutlich nur schwer zu halten gewesen. Im Nachhinein lässt sich jedoch immer viel spekulieren und nun sind wir um eine weitere Erfahrung reicher. Als wir morgens bei ruhigerer See auf Marie-Galante zuhielten und gerade im Salon die weitere Tour planten, hörten wir etwas auf’s Deck fallen. Sofort sprangen wir auf und suchten nach der Ursache für das ungewöhnliche Geräusch. Dabei fanden wir eine Spezialschraube von unserem Rollbaumsystem, die sich vermutlich bei der unfreiwilligen Halse gelöst hatte, und waren mehr als froh, dass diese nicht über Bord gegangen ist. Zwar war die Schraube noch da, doch uns war vollkommenen klar, dass dies die nächste größere Reparatur an dem komplexen Rollrefsystem bedeuten würde. Ermüdet von der langen Nacht und ernüchtert von dem morgendlichen Schock waren wir dennoch froh als der Anker in einer Bucht westlich von Marie-Galante packte und wir ein bisschen Schlaf nachholen konnten.

Da wir die Reparaturen ohnehin erst auf Guadeloupe erledigen konnten, ließen wir uns nicht lange grämen und planten für den Abend ein Barbecue mit Lagerfeuer am Strand. Natürlich waren auch unsere Freunde von der Double Twenty mit von der Partie und die langen weißen Sandstrände auf der Insel, die ihren Namen nach einer Karavelle von Kolumbus trägt, luden hervorragend zu unserem Vorhaben ein. Auch Barry gönnten wir einen Landgang. Allerdings konnte er sich mit den streunenden Hunden nicht wirklich anfreunden und so mussten wir zwei Mal einen Baum erklimmen, um unseren munteren Weggefährten wieder zurück auf den Boden zu holen. Am nächsten Tag wollten wir noch etwas von der Insel sehen und am besten irgendwo Zweiräder in motorisierter oder unmotorisierter Form leihen. Wir liefen nur wenige Meter durch die beschauliche Stadt Saint Louis als neben uns ein dunkelhäutiger Mann in einem Minibus hielt und uns eine Inselrundfahrt anbot. Die durchaus gewagte Kombination aus Niclas pinker Krokodilshorts, Rene’s leuchtend buntem Adidasshirt und Andre’s strahlendem Karibikhemd hatte uns scheinbar wieder einmal schnell in den Focus der Locals rücken lassen. Wir besorgten noch eine Palette Bier und machten uns mit den drei Hochseeveteranen der Double Twenty auf den Weg um die Insel. Unser Reiseführer Jacquie brachte uns zuerst zu einer Zuckerrohrplantage, dann zu einer Rumdestilliere, bevor es über ein altes Herrenhaus mit imposanten Palmenhainen zu einigen Aussichtspunkten und Stränden im Nordwesten der Insel ging. Zwischendurch machten wir immer wieder kurze Stopps bei denen uns Jacquie mit frisch gepflückten lokalen Früchten aller Art versorgte. Besser hätten wir den Tag zur Erkundung der Insel wohl kaum nutzen können! Ein weiteres Barbecue samt Lagerfeuer waren die perfekte Abrundung für unsere kurze Zeit auf der Kaiserinneninsel. Als nächstes Ziel hatte Lukas von der Double Twenty ein kleines Inselparadies etwa 20 Meilen weiter östlich herausgesucht, das von einem Korallenriff gegen den Atlantik geschützt wird. In dem Naturreservat kann man nur an einer Mooringtonne zwischen den Iles de petite Terre liegen und muss dafür vorher eine Reservierung machen. Diese war natürlich vollständig auf Französisch und kostete uns zunächst allerhand Nerven. Ein Aufwand, der sich jedoch mehr als auszahlen sollte! Wir erreichten die Einfahrt zu den Inseln gegen Nachmittag und mussten uns erst einmal gut festhalten, denn kurz vor den Inseln brach die Atlantikwelle an einem kleinen Korallenriff und sorgte so für eine stürmische Brandung, die das Eingangstor zu unserem nächsten Paradies darstellte. Doch wer sich einmal ein Herz gefasst und die rollenden Wellen hinter dem Riff durchdrungen hat, wird mit einem einzigartigen Mooringplatz belohnt. Zwischen 8 und 16 Uhr sind die schneeweiße Strände der Iles de petite Terre von Ausflugsschiffen und Touristen überlaufen, aber danach gehören die wunderschönen Inseln ganz den wenigen Seglern, die sich dorthin verirrt haben. Wir nutzten die letzten Stunden im Tageslicht für eine erste kurze Inselerkundung. Palmen und lange Sandstrände hatten wir zwar schon zu genüge gesehen, aber dennoch war unser Hunger nach dem karibischen Ambiente noch lange nicht gestillt. Zudem bieten die Iles de petite Terre eine Leguan- und Krebspopulation, die wir so noch nie zuvor gesehen hatten. Bereits nach wenigen Minuten an Land konnten wir hunderte Leguane überall in den dichten Mangrovenwäldern erspähen. Ein enger von dichten Wäldern verschlungener Pfad führte uns zu einem alten Leuchtturm und den Ruinen von ehemaligen Fischerhäusern. Als wir zum Strand zurückkehrten machten sich gerade zwei Kitesurfer vom Nachbarboot fertig und rasten bis in den späten Abend durch die enge Passage zwischen den beiden Inseln. Am nächsten Tag unternahmen wir eine längere Wanderung rund um die gesamte Insel. Den Sandstränden auf der Westseite folgte eine ca. hundert Meter lange Sandbank im Süden, die einem das Gefühl gab auf dem Ozean laufen zu können, und felsige Klippen im Osten. Auch allerhand Muscheln und sogar einen Schildkrötenschädel haben wir am Strand gefunden. Eigentlich hätten wir diesen wundersamen Ort nach einem Tag wieder verlassen müssen, aber der Zauber dieser anderen Welt hatte uns längst in seinen Bann gezogen und es waren noch einige Mooringtonnen frei. Wir konnten also gar nicht anders, als uns für einen weiteren Grillabend mit Stockbrot am Strand zu entscheiden. Den folgenden Morgen nutzten wir zum Schnorcheln. Für eine kurze Zeit verlor Niclas auf dem Dinghy Andre unter Wasser aus den Augen, bevor er ihn wild winkend in einiger Entfernung auftauchen sah. Als Niclas Andre erreichte sprang dieser völlig außer Atem mit einem Hechtsprung ins Dinghy und berichtete von den ersten Haien, die er in freier Wildbahn sehen konnte. Ein Anblick, der selbst dem tollkühnsten Seemann beim ersten Mal einen gewaltigen Schrecken einjagt. Und eine Erinnerung daran, dass der Mensch bei weitem nicht der Herrscher über das blaue Element ist. Die friedlichen Riffhaie sind jedoch so gut wie immer harmlos und beim nächsten Tauchgang konnte auch Niclas einige Exemplare beim Schlafen beobachten. Neben den Riffhaien bieten die Iles de petite Terre allerhand bunten Fischen und Korallen, Riesenschildkröten und Delfinen ein zuhause. Selten waren wir an einem Ort, der eine derart vielfältige Tierwelt zu Land und im Wasser beherbergt.

Nach den adrenalinhaltigen Erfahrungen im Wasser ließen wir die überschüssige Energie bei einer Runde Rugby am Strand raus und widmeten uns nach diesem erlebnisreichen Tag einer Flasche Rum mit frischen Limonen und Rohrzucker. Als wir von unseren Liegenachbarn noch auf ein Bier eingeladen wurden, lief der Abend etwas aus dem Ruder und Andre und Lukas tauschten mehr oder weniger freiwillig ihre Kojen. Am nächsten Morgen, es war mittlerweile Freitag, wurden wir früh von den für das Naturreservat zuständigen Rangern mit der Bitte zeitnah abzulegen geweckt, da die Mooringtonnen am Wochenende ausgebucht seien. Wir hatten bereits vorher geplant für die kurze Etappe nach Guadeloupe einen Crewtausch vorzunehmen und so stiegen Niclas und Rene bei Lukas auf der Double Twenty ein, während Dorian und Leon für den Tag unter Andre’s Kommando auf der Running Deer standen. Seglerische Höchstleistungen wurden ob der Eskapaden des Vorabends jedoch von keiner der beiden Besatzungen erbracht. Trotzdem schafften wir es erneut durch die brechenden Wellen in der schmalen Ausfahrt. Nach einem entspannten Segeltag gingen wir in einer kleinen Bucht bei Pointe-a-Pitre an eine Mooringtonne und machten uns auf den Weg in die Stadt. Diese beeindruckte vor allem durch ihre unzähligen Graffitis, die überall an den Hauswänden zu finden waren und sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit ein einzigartiges Kunstwerk darstellten.

Zum Wochenstart ging es für uns weiter in die Marina, um mit der Reparatur des Baums und einigen weiteren Ausbesserungen zu beginnen. Am Anfang stand wie immer einer der lästigsten Punkte beim Reparieren: die Fehlersuche. Zum Glück trafen wir in der Marina Gilbert. Der Franzose lebt bereits seit einigen Jahren auf seinem vollständig vom Kiel bis zur Mastspitze selbstgebauten Stahlschiff und plant in den nächsten Jahren seine Weltumsegelung. Als gelernter Schweißer und leidenschaftlicher Bastler analysierte er mit uns den Baum, um herauszufinden, wie sich die Schraube lösen konnte. Daneben telefonierte Andre viel mit den Experten von TopReff in Deutschland, die das seltene Rollrefsystem vertreiben. An dieser Stelle gebührt Lisa und Dirk ein besonderer Dank, die in diesen Tagen viel Geduld für uns aufbringen musste und uns sogar sonntags mit Rat und Tat zu Seite stand. Nachdem wir glaubten den Fehler gefunden zu haben, standen wir vor der nächsten Herausforderung: wir brauchten dringend einen Schweißer, der auch Edelstahl und Alu bearbeiten kann. Trotz mehrerer Ausflüge zur Werft und Ausnutzung aller Kontakte von Gilbert hatten wir schnell das Gefühl, es wäre leichter einen Magier zu finden, der unseren Baum wieder heile zaubert. Zudem waren unsere Reparaturtage von weiteren Rückschlägen geprägt: so führte die Reparatur der Toilettenpumpe zur Flutung der Bilgen im Steuerbordrumpf und selbst kleinste Arbeiten wie das Austauschen des Anker- und Hecklichts wollten nicht wirklich gelingen. Weiterhin entdeckte Niclas, dass die Halterungen unserer Außenborder an beiden Seiten gebrochen waren und ebenfalls dringend geschweißt werden mussten. An sich keine große Aufgabe, allerdings mussten dafür zunächst sowohl die Außenborder als auch die Halterungen abgebaut werden, was mindestens zwei Tage Arbeit bedeutete. Außerdem würden dabei die Bohrungen für die Schrauben direkt an der Wasserlinie offenbleiben müssen. Wir wählten für diese Reparatur die etwas riskantere aber dafür deutlich günstigere Variante und beluden das Vorschiff mit mehreren hundert Litern Wasser, um die Achterspiegel anzuheben und das Boot nicht wieder für viel Geld an Land holen zu müssen. Zumindest kam unsere Suche nach dem Fabelwesen Schweißer langsam voran. Scheinbar waren wir die Sache falsch angegangen, denn an der Werft vor der wir direkt am ersten Tag in der Bucht lagen, gab es zwar keinen Schweißer, aber dafür eine sehr kompetente Schweißerin, die uns weiterhelfen konnte. Während wir auf die Reparatur der Teile für den Baum warteten, wollten wir nicht darauf verzichten, die Insel wenigstens etwas zu erkunden. So ging es mit einigen Mädels, die wir kennengelernt hatten, zur Ilet du Gosier und mit der Crew von der Double Twenty und weiteren neuen Freunden auf eine Motorboottour rund um Guadeloupe. Vor allem Andre fand seinen Gefallen daran, das 250 PS starke Gefährt durch die Wellen zu prügeln und an einem Tag so viele Ziele wie möglich mitzunehmen. Aber auch für alle anderen war es ein absolut einzigartiger Tag und eine willkommene Abwechslung vom ganzen Reparaturstress. So wurde unser Aufenthalt auf Guadeloupe zu einer Mischung aus Partyurlaub und Akkordarbeit. Als wir wieder in der Bucht lagen, um Liegegebühren für die Marina zu sparen, lernten wir auf unserem Nachbarboot die junge Polin Wiki kennen. Diese war mit einem deutschen Segler gerade über den Atlantik gekommen und suchte nun nach einem neuen Schiff mit Seglern in ihrem Alter. Als professionelle Seglerin und hervorragende Köchin konnten wir ihr kaum eine Absage geben und so zog Wiki bei uns in der Notkoje steuerbord vorne ein. Sowohl beim Reparieren, als auch beim Feiern und beim täglichen Zusammenleben war Wiki eine absolute Bereicherung für unsere Crew. Obwohl sie 4 Jahre jünger ist als wir, hatte sie schnell den Kosenamen Mommy, da wir ohne sie wahrscheinlich nur halb so viel gegessen und doppelt so viel Unfug gemacht hätten.

Am Tag der Liebe erkundeten wir die Ilet a Cochons direkt gegenüber von unserer Bucht und unternahmen eine abenteuerliche Wanderung durch die dichten Mangrovenwälder. Wir mussten weiter auf die Schweißer warten und hatten daher Zeit um mit dem Local Vincent den westlichen Teil von Guadeloupe, Basse Terre, zu erkunden. Vincent war lange Zeit als Backpacker in der ganzen Welt unterwegs und hatte sich nun in Guadeloupe von seinem Backpackerleben vorerst zur Ruhe gesetzt. Und die Gastfreundschaft von Vincent kannte keine Grenzen. Wir hatten aufgrund der ganzen Reparaturen noch keinen Leihwagen besorgt und so fuhr Vincent uns in seinem Wagen zu den beeindruckensten Orten auf Guadeloupe. Ein Tag mit Vincent sah in etwa wie folgt aus: zuerst fuhren wir früh los und wanderten zu Wasserfällen mitten im Regenwald, die auf keiner Karte zu finden sind, schwammen dort im kleinen See unter den Lianen, eilten dann weiter zu einem der vielen Traumstrände, bevor wir uns bei einem alten Leuchtturm im Lichte der untergehenden Sonne am Klippenspringen versuchten und abends in eine wilde Partynacht starteten. Was andere vermutlich nicht in Wochen zu sehen bekommen, durften wir dank Vincent an einem einzigen Tag erleben. Als wäre dies nicht genug, lud Vincent uns auch noch zu sich nach Hause zum Waschen und Duschen ein und bekochte uns vom allerfeinsten mit französischem Omelett. Abgerundet wurde das perfekte Essen mit einem edlen Wein und polnischem Apfelkuchen von Wiki. So zermürbend die vielen Reparaturen auch waren, gab uns Guadeloupe doch eine Extraportion Lebensfreude zurück. So vergingen die Tage auf Guadeloupe mit Warten auf die Schweißer und Reparieren des Bootes. Nicht unerwähnt bleiben darf das Barbecue mit einigen Locals in einer abgelegenen Bergvilla und die Erkundungstour im wunderschönen Osten der Insel. Guadeloupe hatte unzählige Erfahrungen zu bieten und zeigte sich sogar noch vielseitiger als Martinique. Dies ist vor allem der einzigartigen Geographie der zweigeteilten Insel zu verdanken: der viel ältere Ostteil ist durch einen Vulkanausbruch entstanden, wohingegen sich der Westteil erst später durch die tektonische Erdplattenverschiebung aus dem Ozean erhoben hat. Diese beeindruckende Entstehungsgeschichte teilt Guadeloupe in zwei völlig unterschiedliche Welten. Zudem kam Andre endlich zum lange aufgeschobenen Kite-Surfen. Begleitet wurde er dabei von der Polin Johanna, die in der Schweiz arbeitet und zurzeit ein Sabatical auf Guadeloupe macht, um Französisch und Surfen zu lernen. Trotz eines kleineren Zusammenstoßes von Johanna mit einem anderen Kite-Surfer harmonierten die beiden perfekt und verbrachten einen grandiosen Tag auf dem Wasser und am Strand. Geplant hatten wir nur eine bis zwei Wochen auf Guadeloupe. Als sich die Reparaturen dem Ende zuneigten waren wir fast einen Monat dort und es galt neue Pläne zu machen. Wiki konnte uns leider nicht weiter begleiten, da sie keinen Reisepass hatte und unsere ursprüngliche Idee, nach Curacao in die südliche Karibik zu segeln, gaben wir wegen der langen Zeit auf Guadeloupe auf. Es sollte also weiter nach Norden gehen. Wir guckten uns die amerikanischen Jungferninseln aus, da die Coronabestimmungen dort recht moderat waren und sie auf dem Weg zu den Turks & Caicos und den Bahamas liegen. Allerdings erforderte die Einreise in die USA einige Planungen, die Beantragung eines e-Visas und viele Telefonate mit den US-Grenzbehörden, um sicher zu gehen, dass wir alle Voraussetzungen für die Einreise erfüllen würden. Die letzte Woche auf Guadeloupe war daher insbesondere für Niclas und Lukas, die die Organisation übernahmen, ziemlich stressig. Zudem bekamen wir zwei neue Begleiterinnen: die Schweizerin Danae und die Französin Eleonore, die bereits mit uns auf der Motorboottour waren, suchten dringend nach einem Weg in die vereinigten Staaten, um dort einen Roadtrip zu unternehmen. Da Flüge zu Vergnügungszwecken von den französischen Behörden verboten wurden, waren wir ihre perfekte Gelegenheit, um über die Virgin Islands auf das amerikanische Festland zu gelangen.

Kurz bevor es losgehen sollte erhielten wir allerdings noch eine weitere Hiobsbotschaft: Rene’s Esta-Antrag wurde abgelehnt und es war klar, dass er nicht auf den Virgin Islands einreisen werden dürfte. Nach einigen Überlegungen beschlossen wir trotz dessen unsere Reise wie geplant fortzusetzen und Rene zunächst auf Guadeloupe zurückzulassen. Nach den vielen Änderungen unserer Reisepläne insbesondere in Europa sind wir es Leid geworden, unsere Route nach anderen zu richten und wollten nicht wieder alles Geplante umwerfen. Rene hatte dafür volles Verständnis und bemüht sich nun um eine Mitsegelgelegenheit zu den Turks und Caicos oder den Bahamas, um dort wieder zu uns zu stoßen. Trotzdem schmerzte es sehr unseren langen Weggefährten und guten Freund, der mit uns über 5.000 nautische Meilen bezwungen hat, wegen einer Formalität auf Guadeloupe zurückzulassen. Das Leben an Bord wird von nun an auf jeden Fall etwas trister! Aber wir sind wie immer bester Hoffnung und voller Optimismus Rene bald wieder zu begrüßen und die freie Koje eröffnet uns sicherlich allerhand neue Möglichkeiten, um einzigartige Bekanntschaften zu machen. Rene ohne angemessenen Abschied zurückzulassen kam allerdings auf gar keinen Fall in Frage und so erreichte unser Partymarathon auf Guadeloupe am letzten Wochenende seinen Höhepunkt. Am Freitag trafen wir uns erneut mit Vincent und verbrachten den Abend auf der Double Twenty, bevor es am Samstag zu den Iles des Saintes im Südwesten von Guadeloupe ging. Dort trafen wir uns mit zwei Däninnen mit denen wir bereits zuvor die Insel erkundet hatten und feierten auf der Running Deer bis um 6 Uhr morgens das Leben und vor allem Rene und Wiki!

Am nächsten Mittag ging es nach einer kurzen Nacht zum vorerst letzten gemeinsamen Segeltörn zurück nach Guadeloupe, um Rene und Wiki dort ins Ungewisse zu entlassen. Die beiden hatten zu diesem Zeitpunkt nicht mal eine Unterkunft, was den geübten Überlebenskünstlern und Backpackern jedoch kaum Sorge bereitete. Wir verabschiedeten uns emotional, rissen mit Ele und Danae an Bord die Segel hoch und setzten den Kurs Nordwest. Nun stehen uns 240 Meilen und etwa zwei Segeltage bei sehr gut vorhergesagten Bedingungen zu den Virgin Islands bevor, wo wir eine bis zwei Wochen bleiben wollen; hoffentlich ohne dass eine neue Werftzeit erforderlich wird. Zu zweit haben wir unsere Reise geplant, mit 6 Besatzungsmitgliedern sind wir in unserem Heimathafen ausgelaufen und hatten seitdem nahezu immer Freunde an Bord. Keiner von uns glaubt also wirklich daran, dass wir unsere Reise nur zu zweit fortsetzen werden und unsere Herzen sind noch lange nicht satt von den Abenteuern, die diese Reise uns zu bieten hat. Den nächsten Bericht gibt es aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo auch aus Tellerwäschern Millionäre werden können und umgekehrt. Bis dahin freuen wir uns über den Frühlingsbeginn in der Heimat und senden euch allen viel Sonne

Andre & Niclas (& Rene)

2021.02.07 Teil XXII Martinique

Nach den drei Wochen auf See hatten wir uns so sehr an das Leben an Bord gewöhnt, dass es uns nicht wirklich eilig war an Land zukommen. Aber Eile war auch nicht das Gebot der Stunde, immerhin standen uns jetzt mehr als 4 Monate in der Karibik bevor. So ging es nach unserer Ankunft am zweiten Weihnachtstag nur kurz zur Marina, um ein paar Baguettes zu holen und die Mangroven tief in der Bucht von Le Marin zu erkunden. Am nächsten Tag waren wir bei Gaelle und Serge zum Grillen eingeladen. Die Tante und der Onkel von Sophie, unsere Mitseglerin in Frankreich und auf den Kanaren, bereiteten uns einen herzerwärmenden Empfang in der neuen Welt. Bei Rum und Rippchen tauschten wir uns insbesondere über Segeln aus. Und mit Serge hatten wir einen sehr erfahrenen Gesprächspartner. Er selbst hat den Atlantik schon auf seinem selbstgebauten Boot überquert und wir waren sehr beeindruckt, mit welchen Strapazen man noch vor wenigen Jahrzehnten in der Seefahrt zu kämpfen hatte. Nachdem Gaelle uns zurück zur Marina gefahren hat, packte uns doch die Lust mal wieder eine Bar aufzusuchen. Wir fuhren mit unserem Dinghy die Bucht entlang und fanden eine kleine Strandbar, bei der wir direkt neben unserem Tisch parken konnten! Als wir gerade unser Bier bestellt hatten, setzte heftiger Platzregen ein und wir waren trotz der warmen Temperaturen reichlich glücklich über den kleinen Strandschirm neben unserem Tisch. Ein Phänomen an das wir uns – ähnlich wie an die Squalls auf dem Atlantik – gewöhnen mussten, das uns aber auch immer sehr gelegen kam, um mal wieder eine Frischwasserdusche mitzunehmen. Die Karibik ist – zumindest am Ende der Regenzeit – offensichtlich nicht immer nur Sonnenschein!

Es war nun kurz vor Silvester und Le Marin vermittelte uns nicht den Eindruck, als könne man dort angemessen den Jahreswechsel zelebrieren. Wir machten uns daher auf den Weg zur Inselhauptstadt Fort de France etwa 20 Meilen weiter nördlich von Le Marin. Nachdem wir 3.000 Meilen auf dem Atlantik zurückgelegt hatten, klingen 20 Meilen wie ein Katzensprung, aber wir entdeckten auf dem Weg so viele traumhafte Buchten, dass wir alle paar Meilen Halt machten und die Nächte zwischen den Feiertagen jedes Mal in einer anderen Bucht verbrachten. So haben wir uns das Karibiksegeln gewünscht!! Natürlich ließen wir es uns nicht entgehen, die Kokospalmen am Strand hinaufzuklettern und unsere erste karibische Kokosnuss zu köpfen. Auch der eindrucksvolle Rocher du Diamond, der kurz vor der Küste Martiniques 175 Meter hoch aus dem Wasser ragt, wusste uns zu begeistern. Zu Napoleons Zeiten hatten die Briten die steilen Klippen erklommen und auf dem kleinen Oberland eine Garnision errichtet, die den spanisch-französischen Angriffen ganze 17 Monate lang standhielt. Wer den Felsen einmal mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich vorstellen wie beeindruckend dieses Himmelfahrtskommando gewesen sein muss. Noch heute salutieren britische Kriegsschiffe daher, wenn sie den Rocher du Diamond passieren. Am Silvestertag legten wir die letzten Meilen bis Fort de France zurück und gingen an Land, um unsere Optionen für den Abend auszuloten. Diese erwiesen sich zu unserer Enttäuschung mehr als mau. Alle Läden die wir abklapperten hatten abends geschlossen und niemand konnte uns einen guten Tipp für den Abend geben. Sehr begeistern konnte uns dagegen die karibischen Wochenmärkte in Fort de France auf denen wir mit den Händlern um ein paar Maracujas feilschten. Auf dem Rückweg zum Boot machten wir mit dem Dinghy bei einem Iroquois-Katamaran, dem kleinen Bruder unserer Comanche 32, halt und trafen einen alten Schweden, der lange Zeit in München gelebt hatte und sehr gutes Deutsch sprach. Der Einsiedler erzählte uns, dass wir in Fort de France mit keinen Silvesterpartys rechnen könnten, da die Behörden erst kürzlich die Auflagen verschärft und sogar Feuerwerke verboten hatten.

Zum Glück hatte er aber auch den Tipp, auf die andere Seite der riesigen Bucht zu verholen, da dort mehr Touristen und Hotels sowie einige wunderschöne Strände seien, an denen sich vielleicht doch noch ein bisschen Nachtleben finden lasse. Außerdem zeigte uns der freundliche Opa eine besondere Leguanfamilie, die es nur in den Felsen vor Fort de France gibt und die sich durch ihre einzigartige gelbe Farbe auszeichnet. Nach kurzer Überlegung kehrten wir Fort de France den Rücken und folgten seinem Rat. Wir entspannten noch einige Zeit auf dem Boot und telefonierten mit unseren Freunden und Familien in Deutschland, die bereits 5 Stunden vor uns das neue Jahr begrüßen konnten, und gingen am frühen Abend an Land. Tatsächlich fanden wir einige geöffnete Bars und freundeten uns schnell mit unseren Tischnachbarinnen, einige Französinnen, die hier Urlaub machten, an. Gegen 22 Uhr mussten alle Bars schließen und so nahmen wir unsere neuen Freunde mit auf`s Boot, um den Jahreswechsel auf dem Wasser zu feiern. Wir tanzten, sangen und lachten auf dem Vorschiff und konnten es kaum glauben als gegen 0:30 – über der ganzen Bucht war vorher nicht eine Rakete zu sehen gewesen – ein großes Feuerwerk vom Hotel direkt vor uns gezündet wurde! Einmal mehr küsste uns das Glück mitten auf den Mund.

Die ersten Tage des neuen Jahres machten wir es uns in der Ankerbucht bequem und freuten uns, als Serge und Gaell uns für einen Tagestörn besuchen kamen. Erneut erwies sich Serge als wahrer Hochseeveteran und ließ den Autopiloten keine Sekunde zum Zuge kommen. Nach 4 Tagen Entschleunigung in der Bucht beschlossen wir zurück nach Le Marin zu segeln, um uns dort mit Carsten, ein anderer deutscher Segler, der uns auf Instagram angeschrieben hat, zu treffen. Außerdem hatten sich mit der Zeit jede Menge kleinere Punkte auf unserer Reparaturlisten angehäuft, die in der Summe nun allerdings nach zeitnaher Beachtung schrien. Erneut verzauberten uns die traumhaften Ankerbuchten an der Westküste Martiniques jedoch so sehr, dass wir bereits nach wenigen Meilen den nächsten Stopp einlegten, um Schnorcheln zu gehen. Und das zusätzliche Ankermanöver zahlte sich vollkommen aus, denn Andre konnte die erste Riesenschildkröte in der Karibik beim Tauchen beobachten. Ganz ohne Zweifel ein einzigartiger Anblick! In Le Marin angekommen ankerten wir neben Carsten und weihten den Relingsgrill auf seiner massiven 15 m Reincke Hydra ein. Die Reparaturen ließen sich zum Glück schnell erledigen und wir hatten noch genug Zeit für einige weitere Grillabende mit Carsten und anderen Seglern aus aller Welt.

Gegen Ende der ersten Woche des neuen Jahres besorgten wir uns einen Leihwagen und begannen das kleine Paradies landseitig zu erkunden. Vor allem die vielen für deutsche Verhältnisse heruntergekommenen aber in leuchtend bunten Farben gestrichenen Holzhütten taten es uns an. Auch die etlichen Grillstände direkt an der Straße, bei denen man für kleines Geld ein leckeres Grillhähnchen holen kann, prägen hier das Stadtbild. Außerhalb der Dörfer bietet Martinique ein vielfältiges Natur- und Landschaftsbild. Tiefe lianenverschlungene Regenwälder, hohe Felsklippen, weiße Sandstrände, weite Bananenplantagen, alte Kakaoplantagen…. Martinique kriegt auf jeden Fall eine absolute Reiseempfehlung! Natürlich ließen wir uns auch einen Besuch in einer der vielen Rumdestillieren nicht entgehen. Wir folgten dabei Serge’s Rat und fuhren zur JM-Destilliere ganz im Norden der Insel. Auch hier erweisen sich die Inselbewohner als wirklich gastfreundlich und lassen alle Besucher kostenlos die alten Rumbrennereien besichtigen und verköstigen die Gäste aus aller Welt sogar mit einigen Gratiskostproben. Wir nutzten den Leihwagen zudem, um einen kleinen Campingausflug in den Nordwesten zu machen. Schwer beladen mit Hängematten, Grillzeug, Macheten und selbstverständlich einer Palette Bier suchten wir nach einem gemütlichen Plätzchen unter den Palmen direkt am Strand. Nach einiger Suche- und Schlepperei wurden wir fündig und schlugen unser Lager auf. Die Hängematten ließen sich im dichten Küstenwald perfekt aufhängen und ein kleines Lagerfeuer am Strand war schnell entzündet. Noch bis spät in die Nacht bewunderten wir den sternenklaren Himmel und die wunderschöne Küste bei der Anse Couleuvre. Rene’s Versuch in einem Baum zu schlafen, der nach ca. 2 Minuten und 1,5 Metern freiem Fall auf dem Boden der Tatsachen endete soll nicht unerwähnt bleiben. Am nächsten Morgen wurden wir von dem Rauschen der Wellen direkt zu unseren Füßen geweckt. Romantischer kann man wohl kaum aus den Träumen geholt werden.

Am nächsten Tag erreichte uns eine lang ersehnte Freudenbotschaft von Gaelle: Rene’s Reisepass ist nach über 2 Monaten endlich bei uns eingetroffen! Wir können nun zu dritt den Rest der Karibik erkunden. Manchmal wundert man sich, wie einfach sich komplexe Probleme in Luft auflösen. In Spanien hatten wir fast 4 Wochen auf den Pass gewartet und dann nochmal weitere vier Wochen bis er endlich wieder in Deutschland war. Nun hatte er innerhalb von nur 5 Tagen die gesamte Strecke, für die wir 6 Monate gebraucht haben, zurückgelegt und war endlich bei uns auf Martinique angekommen. Nachdem wir den Leihwagen zurückgegeben haben wurde es Zeit uns die weitläufigen Korallenriffe im Osten der Insel etwas genauer anzusehen. Wir brachen also erneut aus Le Marin auf, umquerten nach einem kleinen Stopp an den Traumstränden von Saint Anne den Süden der Insel und fuhren direkt hinter die Korallenriffe im Osten. Von der meterhohen Atlantikwelle ist kaum noch etwas zu spüren, sobald man erst hinter den Riffen in Deckung gegangen ist. Unsere erste Traumbucht lag genau in einer Meerenge zwischen zwei Inseln (Ilet Thiery und Ilet Oscar), die nach Nordosten hin von einem großen Korallenriff geschützt sind. Links und rechts kann man die hohen Palmen am Strand sehen, während nur wenige hundert Meter vor einem die Atlantikwelle bricht. Wir erkundeten die beiden Inseln und schnorchelten an den Riffen entlang, bevor es am nächsten Morgen weiter in die nächste Bucht ging. Diese konnten wir bereits gegen Mittag erreichen, sodass eigentlich noch genug Zeit zum weitersegeln gewesen wäre. Dies war auch die Option, die Niclas präferiert hätte, da die unscheinbare Bucht auf den ersten Blick nicht wirklich viele Besonderheiten bot (natürlich im Vergleich zu den wunderbaren Orten, an denen wir bisher waren). Aber Andre und Rene wollten die Sache ruhiger angehen lassen und zumindest eine Nacht im Windschatten der Gros Ilet Lavigne verbringen. Und diese Entscheidung kostete erstmal allerhand Nerven: Der erste Anlegeversuch mit einem Seil an einem Baum ging aufgrund der Windrichtung schief. Danach warfen wir den Anker etwas außerhalb der Bucht am Beginn einer kleinen Passage zwischen dem Festland und der Insel. Dort wurden wir nach kurzer Zeit recht rüde von Einheimischen weggeschickt, denen die Passage als Motorboot Highway dient. Nachdem wir etwas weiter in die Bucht hinein verholt hatte, kam erneut ein Local mit seinem Motorboot zu uns und gab uns sehr freundlich den Rat auf die andere Seite der Bucht zu wechseln, da die Winde nachts einschlafen können und wir dann nicht mehr genug Platz zu unserem Nachbarn haben würden. Außerdem lud er uns für abends auf seinen Katamaran, der ebenfalls in der Bucht lag, ein. Was die nächsten Tage geschah, hätte sich keiner von uns vorstellen können und ließ uns endlich so richtig in der Karibik ankommen. Völlig unwissentlich hatten wir uns an den Ort verirrt, den die Einheimischen Willy’s Bay nennen.

Willy war der freundliche Mann Mitte 50, der uns zum dritten Verholmanöver an einem Vormittag geraten hatte. Und dazu hatte er alle Berechtigung, schließlich liegt sein Katamaran bereits seit 4 Jahren in dieser Bucht und er kennt die Gegend wie seine Westentasche. Bevor wir uns mit Willy trafen machten wir einen Spaziergang über die Insel, bei dem wir einige Soldaten der französischen Marine trafen, die uns warnten, dass es in der Nacht auf der Insel zu einer Einsatzübung kommen würde und daher etwas lauter werden könnte. Aus Spaß luden wir die Frauen und Männer in Uniform zu einem Bier an Bord ein. Zu unserer Überraschung nahmen die Soldaten unser Angebot sogar an und sagten sie würden später mal mit den Kajaks vorbeikommen. Abends nahm uns Willy mit seinem Motorboot mit auf eine Fahrt durch die Riffe. Mit 45 Knoten rasten wir durch die von kleinen Inseln und Riffen zerklüfftete Wasserlandschaft. Neben seinem Katamaran auf dem Willy lebt, hat er noch ein Jetski und ein Motorboot, die an einer alten Pier in der Nähe der Bucht liegen. Direkt oberhalb der Pier wohnt Willy’s Freund Yves. Mit seinen 74 Jahren ist Yves bereits in der verdienten Rente und kümmert sich eifrig um seinen Garten, der von Bananen über Limonen bis hin zur Rotfrucht allerhand lokales und überlokales Obst und Gemüse beherbergt. Auch wie die Einheimischen Krebse fangen erklärte uns Yves mit aller Geduld, obwohl wir kaum ein Wort Französisch und er kaum ein Wort englisch sprach. Nach unserer Spritztour durch die Riffe nahm uns Willy mit zu Yves und das Rumtrinken begann. Yves „Wohnzimmer“, dass mehr einer Veranda gleicht, da es zu zwei Seiten hin völlig offen ist, dient als eine Art Treffpunkt für die Freunde von Willy und Yves. Auf dem Tisch stand immer eine Flasche Rum sowie Rohrzucker und Limonen und es herrschte fast immer Leben in Yves‘ Haus. Die Menschen gingen ein und aus, begrüßten und tranken einen Rum mit uns und wer konnte unterhielt sich mit uns auf Englisch über die unterschiedlichsten Themen. Aber egal wer gerade mit uns bei Yves saß, alle Einheimischen waren super freundlich und interessiert an uns und unserem Abenteuer. Auch lernten wir endlich, wie man „richtig“ Rum trinkt. Das Nationalgetränk der Bewohner Martinique’s haben wir mit etwas frischem Rohrzucker gemischt und eine Scheibe Limone wird, ohne diese auszudrücken, für das Aroma hinzugefügt. Dann leert man sein Glas in einem Schluck und hält den Rum für ein paar Sekunden im Mund, bevor er mit einem Glas kaltem Wasser heruntergespült wird. Auf diese Weise würde man nicht dehydrieren und bekäme keinen Kater, erklärte uns Willy. Außerdem könnte man so den Geschmack des Rums am besten würdigen. Und tatsächlich ging es uns die gesamte Zeit in Willy’s Bay trotz jeder Menge Rum – wir saßen oft bei Yves und genossen das Leben der Einheimischen – erstaunlich gut. Bereits am ersten Abend sagte uns Willy, dass wir entgegen unserer ursprünglichen Pläne ziemlich sicher länger als nur eine Nacht in seiner Bucht verbringen würden. Am gleichen Abend bekamen wir wie versprochen Besuch von unseren neuen Bekannten in Uniform. Die Navysoldaten nutzten bei ihrer Einsatzübung unseren Katamaran als Sichtschutz und fuhren mit 10 Kajaks direkt an unser Boot. Wir beobachteten das Spektakel derweil von Yves‘ Wohnzimmer aus und genehmigten uns noch einen Rum.

Die nächsten Tage nahm sich Willy viel Zeit, um uns einen traumhaften Aufenthalt in seiner Bucht zu bescheren. Am ersten Tag gab er uns den Tipp an einem nahegelegenen Berg klettern zu gehen. Mit Tauwerk und Klettergeschirr ausgerüstet erklommen wir die steilen Wände des Rocher Leclerc und genossen zur Belohnung die traumhafte Aussicht über halb Martinique. Danach gab es wieder – wie könnte es anders sein – Rum in Yves‘ Haus. Wir lernten sogar etwas kreolisch, die Sprache der Ureinwohner der kleinen Antillen, und prägten uns die Worte „Kay Yves belle“ („Das Haus des Yves ist schön“) besonders ein. Für den Abend besorgten wir Hühnchen und es wurde in einer großen Runde bei Yves gegrillt. Auch einen ganz besonderen neuen Freund haben wir an den beiden Abenden bei Yves kennengelernt: Barry White aka Monsieur de Barry. Bei dem kleinen Racker handelt es sich um eine streunende Katze, die sich mit Willy’s Kuh Nana angefreundet hat und oft bei Yves am Haus war. Und das schneeweiße Jungtier hatte so viel gefallen an uns gefunden, dass es uns nicht mehr von der Seite wich. Als wir schon ein paar Rum auf hatten und Willy und Yves uns sagten wir könnten Barry mitnehmen, wenn wir wollen, hatten wir kaum eine Chance den ozeanblauen Augen unseres neuen Weggefährten zu widerstehen. Von nun an sind die „Three Monkeys“ mit einer Bordkatze unterwegs und um eine einzigartige Erfahrung reicher. Natürlich vereinbarten wir mit Willy, dass wir Barry erst einmal testhalber mitnehmen und wieder zurückbringen würden, falls er das Leben an Bord nicht gut annehmen sollte. Der wunderbaren Erlebnisse nicht genug nahm Willy uns in den nächsten beiden Tagen auch noch mit zum Jetski fahren und auf seinem Motorboot zu einer Liveverfolgung der jährlichen Yole-Regatta. Yole’s sind kleine Segelboote ohne Kiel und mit einem zweigeteilten Großsegel. Die kleinen und wendigen Boote eignen sich perfekt, um mit Highspeed über die Riffe zu surfen. Sie zu segeln erfordert allerdings allerhand Geschick, Erfahrung und insbesondere Balance der 20-köpfigen Besatzungen. Ein solches Rennen aus nächster Nähe erleben zu können war ein riesiges Privileg für uns! Auch für die Einheimischen ist das Rennen ein großes Volksfest und das ganze Wasser war voll von Motorbooten, die die Regatta verfolgten. Während wir neben den Yole’s herfuhren und die tapferen Segler anfeuerten machten wir noch einige Pausen auf Booten und in Häusern von Willy’s Freunden, wo selbstverständlich wieder Rum getrunken, gesungen und gelacht wurde. Wir sind nun endgültig im karibischen Leben angekommen! So schön die Zeit in Willy’s Bay auch war, wollten wir am Montag weitersegeln. Wir fuhren noch einmal kurz zu Yve um uns zu verabschieden. Und es kam wie es kommen musste: Nach dem letzten gemeinsamen Rum gab es eine leckere Fischsuppe von Yves und noch einen letzten Rum und plötzlich war es schon wieder spät am Abend. Wir luden Willy und seine Freundin Veronique, die uns ebenfalls eine wundervolle Gastgeberin war, zum Grünkohlessen bei uns an Bord ein und verbrachten noch einen ausgelassenen Abend gemeinsam. Am nächsten Tag hielten wir die Verabschiedung kürzer und überreichten Yves noch zwei Flaggen unserer Heimatvereine, bevor es mit Barry White an unserer Seite weiter Richtung Norden ging. Die fünf Tage in Willy’s Bay haben unser Verständnis von den Menschen und ihrer Gastfreundschaft hier grundlegend geprägt und wir werden diese erlebnisreiche Zeit niemals vergessen!

Wir zogen weiter zur nächsten Bucht und mussten beim Landgang mit Barry feststellen, dass es eine ziemliche Herausforderung werden würde, mit einer Katze durch die Buchten zu bummeln, ohne sie zu verlieren oder dauerhaft an Bord festzuhalten. Letzteres war auf jeden Fall keine Option für uns und wir waren zuversichtlich, dass Barry weiter treu zu uns halten würde. Noch eine Bucht weiter konnten wir endlich mit einem Seil an einem Baum festmachen und ganz ohne Anker (den wir zur Sicherheit natürlich trotzdem warfen) auf den Strand fahren. In der Baie du Tresor kamen wir so beinahe trockenen Fußes an Land und erkundeten die traumhaftschöne Landspitze ganz im Osten von Martinique auf einer mehrstündigen Wanderung. Die Landschaft wechselte schnell von dichten Mangrovenwäldern zu hohen Felsklippen und weißen Sandstränden. Wem auch immer sich die Gelegenheit zu einer Wanderung über die Ostspitze Martiniques bieten sollte, der sollte diese auf jeden Fall nutzen! Bei unserer Rückkehr zum Boot lernten wir am Strand Anna, Camille, Margot und Celian kennen mit denen wir abends eine kleine Party auf dem Vorschiff veranstalteten. Die vier Pariser waren wegen Corona in Kurzarbeit und nutzten die Zeit um Urlaub auf Martinique zu machen. Nach der Partynacht ging es am nächsten Tag mit unserem Buchtnachbarn Dan und den Franzosen zum Surfen an den Strand. Wir verstanden uns hervorragend und so luden wir unsere neuen Freunde zu einem Segeltörn und unsere neuen Freunde uns zu einer Hausparty in ihrem Ferienhaus ein. Vorher ging es für uns aber noch in den Norden der Insel, wo wir in der Anse Couleuvre (dort haben wir bereits eine Nacht gecampt) unsere alten (oder besser eher jungen) Bekannten von der Double Twenty zum Grillen und Lagerfeuer machen wiedertrafen. Lukas, Dorian und Leon sind mit der Etap 32 von Lukas etwas später als wir zu der gleichen Tour über ein Jahr aufgebrochen und hatten den Atlantik ebenfalls erfolgreich bezwungen. Die drei frischgebackenen Abiturienten beweisen zum Ende ihrer Teenagerzeit allerhand Mut eine solche Reise auf sich zu nehmen! Und auch uns tat es gut nicht immer die jüngsten unter den Seglern zu sein und die drei Jungen mit einigen altklugen (natürlich meist ironisch gemeinten) Ratschlägen zu belehren. Nach einem entspannten Grillabend bei dem wir uns allerhand zu erzählen hatten, ging es im Westen wieder zurück Richtung Le Marin. Beim Segeln nahe der Küste gibt es in der Karibik neben den vielen Riffen noch eine weitere lästige Herausforderung zu bewältigen: die Einheimischen Fischer übersähen die Küstengewässer mit Fischernetzen, die nur von kleinen PET-Flaschen an der Wasseroberfläche gehalten werden und so eine immense Gefahr beim Segeln darstellen. Des Öfteren fuhren wir uns trotz großer Aufmerksamkeit eine Leine in die Ruder und mussten diese eilig kappen, damit es nicht zu größeren Schäden an unserem Boot kommen konnte.

Auf dem Weg nach Le Marin legten wir noch einen kurzen Zwischenstopp bei der Petite Anse du Diamond ein und trafen uns dort mit unseren alten Bekannten Axel, Moni, Udo, Pit und Gudrun. Wir versuchten leider erfolglos Axel’s Außenborder wieder in Gang zu kriegen und gingen abends in großer deutscher Runde Pizzaessen. Dieses Mal waren wir die Jungspunde doch das tat der geselligen Runde keinen Abbruch und so verbrachten wir einen entspannten Abend. Am nächsten Morgen sammelten wir die Franzosen in der nächsten Fischerbucht ein. An einer kleinen Pier legten wir ein abenteuerliches, aber gelungenes Anlegemanöver hin, um unsere Freunde an Bord zu bekommen und bahnten uns dann unseren Weg durch das Labyrinth von Fischernetze zurück auf die offene See. Bei sehr guten Bedingungen machten wir einen längeren Schlag nach Le Marin bei dem wir einige Wale und Schildkröten in der Ferne beobachten konnten. Für die meisten unserer französischen Freunde war es das erste Mal segeln und so kamen sie aus dem Staunen kaum noch heraus. Nach einem kurzen Stopp zum Schnorcheln segelten wir wieder in die Bucht von Le Marin und zeigten unseren Gästen mit dem Dinghy noch die traumhaften Flüsse durch die Mangrovenwälder.

Dann ging es für uns zum ersten Mal seit knapp zwei Monaten wieder in die Marina. Nachdem wir nun lange Urlaub gemacht und die kleineren Probleme am Boot vernachlässigt hatten, wurde es Zeit mal wieder eine „Werftzeit“ einzulegen. Wir mussten das AIS wieder instandsetzen, ein Takeling an der RollRef erneuern, das Dinghy flicken, einige andere Reparaturen vornehmen und vor allen Dingen unsere Batterien mal wieder vollständig mit Landstrom laden. Es ist faszinierend, dass wir fast zwei Monate völlig autark auf unserem Raumschiff leben konnten und erst jetzt wieder in die Marina mussten. Aber es wurde natürlich nicht nur gearbeitet. Wir hatten einen breiten Steg am Ende der Marina und neben uns lagen sonst nur Rennyachten (was natürlich ein angemessener Platz für die Comanche 32 Sport ist), die abends unbewohnt waren. So luden wir alle unsere neuen Segelfreunde aus Le Marin abends zum Grillen ein. Mit 5 Crews und 13 Leuten hatten wir mittlerweile echt viele Kontakte auf Martinique geknüpft, was uns natürlich auch beim Reparieren und Organisieren von Ersatzteilen sehr zu Gute kam. Das SUP wurde schnell zum Tisch umgebaut und unsere elektrische Herdplatte (es lebe der Landstrom!!) diente als Grill. Als auch noch die Franzosen mit drei weiteren Freunden dazukamen hatten wir eine echte Party! Den folgenden Tag wurde wieder repariert, bevor wir die Marina abends verließen und zu der versprochenen Hausparty bei den Franzosen fuhren. Und diese wurde absolut legendär. Mit über 20 Leuten tanzten und sangen wir die ganze Nacht, spielten Beerpong, schwammen im Pool und hatten so viel Spaß wie lange nicht mehr. Die Franzosen gaben uns den ehrenhaften Spitznamen „The Vikings“. Drei Monate ohne Friseur oder richtige Rasur hatten sich wohl doch sehr bemerkbar gemacht. Während uns von zuhause die Nachrichten über Kontaktbeschränkungen auf bis zu eine Person pro Haushalt erreichten, konnten wir hier wegen der geringen Coronazahlen ohne Weiteres jeden Abend eine Party schmeißen! Wieder einmal hatte sich die lange diskutierte Entscheidung trotz Corona in unser Abenteuer aufzubrechen vollkommen ausgezahlt. Und die Woche gab es neben den neuen Freundschaften auch viele andere Gründe zu feiern. Die Reparaturen gingen trotz einiger Rückschläge gut voran und Dorian und Lukas von der Double Twenty hatten ihren zwanzigsten Geburtstag.

Nach den vielen Partytagen verbrachten wir noch ein paar ruhigere Tage in der Bucht vor Le Marin. Natürlich legten wir uns nicht ganz normal vor Anker, sondern gingen bei der Double Twenty längsseite und hatten so eine richtig coole WG aus zwei Booten zusammen. Wir machten noch eine Wanderung und einen Grillabend am Ufer, bevor wir beschlossen gemeinsam weiter Richtung Guadeloupe zu segeln. So stachen wir Sonntagmittag mit Kurs auf Marie-Galante (eine kleinere, Guadeloupe vorgelagerte Insel) in See. Der Wind ist mit 25 Knoten etwas strammer vorausgesagt und wir werden die ersten Meilen gegen ihn anfahren müssen. Trotzdem freuen wir uns sehr nun endlich weiterzukommen und noch mehr von der Karibik entdecken zu können.

Als nächstes werden wir euch dann von unserem kurzen Aufenthalt auf Guadeloupe berichten, bevor es aller Voraussicht nach weiter nach Curacao geht. Bis dahin wünschen wir euch in der Heimat alle Kraft für diese zermürbende Zeit und stehen zumindest was die Frisuren angeht Seite an Seite mit euch!

The Vikings
Andre, Niclas & Rene

2021.01.09 Teil XXI Transatlantic

Am späten Abend des 04.12. schmissen wir die Leinen in Las Galletas los und begannen unser bislang größtes Segelabenteuer mit Kurs auf Martinique. Die erste Euphorie und Vorfreude auf die bevorstehenden 3.000 Seemeilen und drei Wochen Abgeschiedenheit wurden jedoch schnell getrübt: bereits kurz nach dem Start – Niclas lag in Vorbereitung auf die erste Nachtwache bereits in der Koje – brach das massive Stahlrohr von unserem Kapitänssessel aus Altersschwäche weg und René legte eine harte Bruchlandung im Cockpit hin. Resultat war eine geprellte Rippe und dementsprechend schmerzte beinahe jede Bewegung im rollenden Schiff. Doch das Greenhorn an Bord der Running Deer erwies sich als echter Seemann und biss die nächsten Tage die Zähne zusammen. Ein schlechtes Omen für eine derartig lange Segeletappe, das uns aber nicht entmutigen sollte und so zeigten wir uns zuversichtlich, dass dies unser letztes Malheur gewesen seien sollte.

In der ersten Woche war die See noch etwas unruhig, da über den Kanaren einige Tiefdruckgebiete ihr Unwesen trieben und deren Ausläufer uns erst kurz vor den Kap Verden nach 7 Tagen auf See in Ruhe ließen. So wurden wir nachts immer wieder von Squalls (kleine Unwetterfronten mit deutlicher Windzunahme und meist Starkregen) überrollt und mussten tatsächlich auch unser Ölzeug noch einmal aus dem Schrank kramen. Die Anstrengungen schienen allerdings auf einen Schlag vergessen, als wir unseren ersten Mahi-Mahi (Goldmakrele) aus dem Wasser zogen! Nichts stärkt die Moral an Bord mehr als ein frisch gefangener Fisch! Seit dem weißen Hai, den wir in der rauen Biskaya am Haken hatten, waren wir nicht mehr mit der Angel erfolgreich gewesen und so freuten wir uns umso mehr über den ersten Mahi-Mahi, der uns zu diesem Zeitpunkt auch noch sehr stattlich erschien. Ab jetzt lief es und wir holten beinahe jeden Tag einen größeren Leckerbissen aus dem Atlantik. Auch unsere anfängliche Unsicherheit beim Ausnehmen und Zubereiten von frischem Fisch wich schnell der Experimentierfreude und mündete in kulinarischen Meisterwerken.

Nach einer Woche auf dem Wasser durchstreifte unser kleines Raumschiff gerade die sternenklare Nacht etwa 250 Meilen vor den Kap Verden als etwas Magisches passierte: Der Wind drehte schlagartig von Nord-Ost auf Ost und eine milde Wärme umhüllte uns in der Dunkelheit. Das musste der Passat-Wind sein! Wir waren jetzt auf dem Highway direkt in die Karibik. Ab diesem Moment wurden auch die Wellen länger und das Wetter – trotz weiterer Squalls – konstanter. Entsprechend unseres Kurses hatten wir immer Wind von hinten und sind die gesamte Tour über den Atlantik ausschließlich mit der kleinen Genua und/oder dem Code 0 in Schmetterlingsbeseglung gesegelt. Angenehmer kann man wohl kaum reisen. Tagsüber verbrannten wir in der glühenden Atlantiksonne, nahmen den frischen Fisch aus, guckten ohne Ende Serien und in selten motivierten Momenten übernahmen wir sogar das Steuer vom Autopiloten, der trotz einiger Aussetzer einen hervorragenden Job machte. Nachts hatten wir ein Schichtsystem bei dem jeder von uns 3 Stunden Nachtwache hielt, die je nach den Squalls mal völlig ruhig verlief und mal im Starkregen bei bis zu 40 Knoten Wind durchgestanden werden musste.

Obwohl wir fast nichts taten kam keine Langeweile auf und die Zeit verging wie im Flug. Wir hätten nicht damit gerechnet aber das Internet und Social Media, womit wir bisher sehr viel – wahrscheinlich muss man sogar sagen zu viel – Zeit verbracht hatten, fehlte uns kein Stück! Im Gegenteil genossen wir die Tatsache, dass wir überhaupt keinen Zeitdruck, Stress oder irgendwelche Verpflichtungen – abgesehen von der Nachtwache natürlich, die aber regelmäßig von einzigartigen Sternenhimmeln versüßt wurde – hatten sehr und freuten uns riesig alle zwei bis drei Tage über unser Satellitentelefon bei Anforderung der aktuellen Wetterdaten eine E-Mail aus dem Nichts in die Heimat zu senden. So wunderten wir uns auch nicht als es auf einmal schon wieder Freitag und damit die zweite Woche auf See zu Ende war. Wir waren nun mitten auf dem Atlantik, über 2.000 Kilometer entfernt von jeglicher Zivilisation! Standesgemäß setzten wir auf halben Weg natürlich noch eine Flaschenpost ab und sind sehr gespannt, ob uns jemals eine Antwort erreichen wird! Ein ganz besonderes Erlebnis in dieser Woche war ein ca. 15 Meter großer Pottwal der nur wenige Meter vor unserem Boot aus dem hellen Blau empor stieg und zum Gruß seine Schwanzflosse beim Abtauchen in die Höhe streckte. Ein solch gewaltiges Tier hatte zuvor kaum einer von uns je in freier Wildbahn gesehen! Außerdem besuchten uns einige fliegende Fische, denen die Vorschiff-Lounge allerdings schlechter zu bekommen schien als uns. Wir begannen auch die Squalls für uns zu nutzen und so wurde öfters nackt im Regen geduscht, was bei den heißen Temperaturen die beste Erfrischung war.

In der dritten Woche wurde uns langsam klar, dass wir unser eigentliches Ziel, Heilig Abend in der Karibik zu sein, nicht würden halten können und begannen neue Pläne für das jährliche Weihnachtsfest zu machen: Das einzig wirklich angemessene Festmahl, das wir mit den restlichen Vorräten noch zubereiten konnten, war natürlich Mahi-Mahi. Allerdings hatten wir unseren guten Köder an einen zwei Meter Blue-Marlin (Schwertfisch) verloren und die goldgrünen Meeresbewohner schienen unseren neuen Köder nicht ganz so sehr zu mögen! Doch auch dieses Mal verließ unser Glück uns nicht und wir holten am Mittag des 24.12. ein riesiges Exemplar aus dem Wasser, das uns alle mehr als gut sättigte. Wir setzten natürlich auch unsere Weihnachtsmützen auf und schmückten die Plicht mit Lichterketten. So fuhren wir am Abend mit 7,5 Knoten Geschwindigkeit und 30 Knoten Wind mit Lichterketten und frischem Mahi-Mahi in die Nacht und feierten ein unvergessliches Weihnachtsfest! Da wir auch noch Restguthaben auf unserem Satellitentelefon hatten, das bald verfallen würde, konnten wir sogar einen Weihnachtsanruf bei unseren Familien machen!

Es war klar, dass wir die letzten 200 Meilen unmöglich an einem Tag zurücklegen konnten, wir refften daher am ersten Weihnachtstag die kleine Genua fast runter bis zur Sturmfock, um am 26.12. bei Tageslicht in Martinique einlaufen zu können. Die letzten 24 Stunden, die wir so vor uns hineierten, kamen uns beinahe länger vor, als die drei Wochen davor und unsere Augen strahlten, als wir endlich die ersten Lichter der Karibik in der Ferne erspähen konnten! An richtigen Schlaf war in dieser Nacht kaum zu denken.

Wie geplant kamen wir am frühen Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen in der Bucht vor Le Marin im Südwesten von Martinique an. Wir hatten es geschafft! In 21 Tagen haben wir ca. 3.000 Meilen Blauwasser hinter uns gelassen und waren nun an unserem Traumziel angekommen! Und wir staunten nicht schlecht als wir die gewaltige Ankerbucht bei Le Marin passierten: Über 2.000 Boote, die teilweise schon seit Jahren und Jahrzehnten hier liegen müssen, füllen die paradiesische Bucht. Wir merkten auch schnell, worauf es beim Segeln ab jetzt ankommen würde, als wir einen Moment unvorsichtig waren und das Lot plötzlich nur noch 1,0 Meter Wasser unterm Kiel anzeigte. Die Bucht ist auch wegen der vielen Korallenriffe als einer der bestgeschützten Plätze in der Karibik bekannt, was einem beim Navigieren – selbst mit dem Dinghi – vor völlig neue Herausforderungen stellt. Wir suchten uns einen schönen Platz weit hinten in der Ankerbucht nahe der Marina und konnten kaum glauben, dass wir es endlich geschafft hatten! Nach dem Anlegerbier holten wir noch etwas Schlaf nach und meldeten uns dann bei der Küstenwache wegen der Corona-Beschränkungen. Diese hatte eines der schönsten Weihnachtsgeschenke für uns und teilte uns mit, dass wir nach der dreiwöchigen Überfahrt keinerlei Quarantäne einhalten oder Tests machen müssten! Das ist zwar durchaus sinnvoll, da wir ja faktisch in Quarantäne waren, in diesen wirren Zeiten allerdings keineswegs üblich. Wir konnten also noch am gleichen Tag an Land gehen und die neue Welt für uns erobern! Diesen reibungslosen Ablauf verdanken wir vor allem auch unserem wachsamen Schutzengel Carsten Hinken „Charlie“ von der DGzRS, der uns bereits zwei Wochen zuvor bei der Küstenwache auf Martinique angemeldet hatte und spätestens an dieser Stelle besonderer Erwähnung verdient! Die gesamte Besatzung der Running Deer dankt Dir vielmals für deine Hilfe und jederzeitige Unterstützung Charlie, dank dir wussten wir auch in der Mitte des Atlantiks, dass im Notfall jemand da sein würde!

Die nächsten Wochen werden wir die französischen Karibikinseln Martinique und Guadeloupe erkunden und es vor allem mal etwas langsamer angehen lassen. Dies ist definitiv eine der vielen Eigenschaften, die uns der Atlantik gelehrt hat! In der Ruhe liegt die Kraft und wir werden uns von nun an etwas mehr Zeit an den unzähligen schönen Orten nehmen! Oder mit Poohs (neustes Crewmitglied und Bordstofftier, das in Las Galletas noch gerade rechtzeitig für die Transatlantic zugesprungen ist; außerdem seines Zeichens ausgewiesener Fachbär für Honig) Worten: Wir haben das Nichtstun gelernt und was könnte es Schöneres geben? Aber natürlich gilt auch weiterhin, dass von Nichts nichts kommt und so müssen wir noch einige kleinere Reparaturen auf Martinique erledigen, die aber zum Glück nicht zur Eile zwingen. Unser Code 0 ist nach drei Wochen UV-Bestrahlung am letzten Tag auf dem Atlantik am Achterliek eingerissen und muss genäht werden, eine Seite von unserem Schlauchboot muss geflickt werden, die Ankerwinch muss noch wieder fit gemacht werden (damit wir unfit bleiben können) und auch die Centerwinsch klemmt wieder und muss auseinander gebaut werden. Alles in allem aber nichts, was sich nicht schnell in den Griff kriegen lassen sollte und so bleibt zum Glück jede Menge Zeit, um die Karibik zu erkunden. Wer hätte gedacht, dass auf unserer längsten Überfahrt am wenigsten kaputt gehen würde?!

Wir sind noch immer überwältigt von dem vielen Zuspruch, den wir gerade vor unserer Abfahrt aus Deutschland erhalten haben und hoffen euch geht es auch trotz zunehmender Corona-Beschränkungen allen gut. Als kleiner Lichtblick am Ende des Tunnels: Wenn das ganze hoffentlich im Laufe dieses Jahres durchgestanden ist und wir nach der unbequemen Rückfahrt wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzten, gibt es eine Party nach Karibik Art, die sich gewaschen hat!!

Bis dahin Ahoi von der Running Deer und ihren Blauwasserseglern

2020.12.04 Teil XX Kanaren/Teneriffa & La Gomera

Kurz nachdem wir Gran Canaria verlassen haben erspähten Janschek und Leni ein scheinbar verlassenes Holzboot am Horizont. Zwar herrschten ruhige Wetterverhältnisse, doch die Wellen spielten mit der winzig kleinen Nussschale in der Ferne und wir beschlossen uns aus der Nähe zu vergewissern, dass keine Menschen in Gefahr sind. Umso näher wir dem Boot kamen, desto sicherer wurden wir uns, dass es sich um ein zurückgelassenes Flüchtlingsboot handeln muss. Aufgrund des hohen Rumpfes konnten wir allerdings auch aus kürzester Distanz nicht sicher sagen, dass keine Menschen mehr auf dem Boot waren und so beschlossen Andre und Niclas den Sprung ins Wasser zu wagen und an Bord zu gehen. Als wir die steilen Holzwände erklimmen konnten bot sich uns ein bizarres Bild: einige zurückgelassene Kleidungsstücke und Rucksäcke, zwei funktionstüchtige Außenborder, mehrere Kanister Wasser und mehr als 150 Liter Benzin. Auf den ersten Schock wurde uns aber schnell klar, dass dies ein gutes Zeichen war: es herrschten gute Wetterverhältnisse und alles Lebensnotwendige befand sich an Bord, sodass es keinen Grund gegeben hätte, das Boot zu verlassen, außer einer sicheren Bergung. Wir hatten bereits zuvor die Küstenwache angefunkt, die uns mitteilte, dass sie keine weiteren Maßnahmen ergreifen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für Menschenleben bestehen würde. Da wir nach der Bergungsaktion keinen Funkkontakt zu der Küstenwache mehr herstellen konnten, entschieden Andre und Niclas das Boot die verbleibenden 25 Seemeilen bis Teneriffa zu fahren und dort erneut die Küstenwache anzufunken, um zu verhindern, dass das Benzin und die alten Motoren zu einer kleinen Umweltkatastrophe werden würden. Die ca. fünfstündige Fahrt herrschten in uns gemischte Gefühle: zwar waren wir beruhigt, dass es aus dem diesem Boot offensichtlich alle Menschen gesund herausgeschafft haben mussten, gleichzeitig war es aber auch unvorstellbar, dass über 50 Menschen es gewagt hatten, alles zurückzulassen und sich in diesem kleinen Seelenfänger den Naturgewalten auszusetzen, nur um nach einem scheinbar besseren Leben zu streben. Die Verzweiflung, die diese Menschen antreiben muss, wurde für uns an diesem Tag greifbarer als jemals zuvor. In Funkreichweite von Teneriffa angekommen waren wir sehr überrascht, dass die Anweisung der Küstenwache lautete das Schifffahrtshindernis mit Unmengen Benzin an Bord wieder treiben zu lassen und die Bergungsaktion abzubrechen. Trotz unseres Unverständnisses für diese Anordnung leisteten wir derselben natürlich Folge und ließen das einsame Holzboot wieder zurück. Noch abends in der Koje wurde uns klar, welch unvorstellbares Glück wir haben unser Leben derartig frei gestalten und einfach mal ein Jahr um die Welt segeln zu können – ganz anders als der 25-jährige Ahmet, dessen kopierte Papiere wir in dem Boot gefunden hatten und der nun wahrscheinlich in einem der winzigen Auffanglager auf Gran Canaria auf seine Abschiebung wartet.

Am späten Abend schmissen wir den Anker in einer Bucht vor Los Cristianos im Süden von Teneriffa und den nächsten Tag schlenderten wir durch die Stadt, gingen Jetski fahren und füllten unser auf Gran Canaria neu angebautes Obstnetz wieder auf. Nach einem Tag im Süden von Teneriffa, der uns ähnlich wie schon zuvor Lanzarote und Fuerteventura nicht sonderlich beeindrucken konnte, entschieden wir weiter nach La Gomera zu segeln. Zuvor drehten wir aber noch den dritten Teil unseres Kassenschlagers „Abenteuerliche Schlauchbootmanöver“. Niclas war am frühen Freitagmorgen noch laufen gewesen und bei seiner Rückkehr hatte sich hoher Schwell am Strand gebildet, sodass Andre beschloss Niclas nicht am Strand, sondern im Hafen wieder aufzunehmen. Aber auch in dem schlecht geschützten Hafen stand ordentlich Welle und die Rückfahrt von Niclas und Janschek im Dinghy wurde zur Waschmaschine – schön für Niclas direkt nach dem Sport, etwas unschöner für Janschek direkt nach der morgendlichen Dusche. Nachmittags auf La Gomera in der Marina von San Sebastian angekommen erkundeten wir die Stadt und machten Pläne für die nächsten Tage: auf jeden Fall wollten wir wandern gehen und mit dem Boot ein paar der vielen Buchten abbummeln. Die vielfältige Natur auf La Gomera begeisterte uns alle sofort: tiefe bewaldete Schluchten, hohe Berge, die mit den Wolken ringen, Palmenhaine, und unzählige Kilometer an Wanderwegen über das kleine Paradies. Von den Kanareninseln gefiel uns La Gomera eindeutig am besten!

Nachdem wir das Wochenende in der Marina verbracht hatten, segelten wir die Buchten im Süden der Insel ab. Zwar hatten wir kaum Wind, aber die Insel ist nicht besonders groß und wir nutzten die Flaute, um das Kite-Board mal wieder herauszukramen und hinter unserem Boot zu surfen. Kurz vor Santiago entdeckten wir Höhlen in den zerklüfteten Felsklippen von denen einige mit Tüchern zugehangen waren. Wir hatten schon viel von den Hippies auf La Gomera gehört und konnten es kaum erwarten, die Höhlenbewohner kennenzulernen. Da Niclas noch mit dem Dinghy in Santiago war, um für einen Grillabend am Strand einzukaufen, schwamm der Rest der Crew einfach rüber zum Strand und machte sich mit den Hippies vertraut. Diese luden uns auch direkt abends in ihre „Main-Cave“ ein. Die „Main-Cave“ ist eine der größten Höhlen und dient den 40-50 Strandbewohnern als eine Art Wohnzimmer und Küche. Abends saßen wir zusammen am Feuer und die Hippies spielten auf Trommeln und Blechinstrumenten Musik – mal wieder ein absoluter Gänsehautmoment. Die besten Erlebnisse unserer Reise wurden bisher immer mit Musik veredelt und so werden wir auch diesen magischen Abend sicher niemals vergessen. Aber so hoch wir auch fliegen, die Realität holt uns immer wieder auf den Boden und am Mittwoch war der Tag gekommen, an dem Janschek und Leni uns wieder verlassen haben. Und die Beiden haben einiges auf sich genommen, um wieder ins kalte Deutschland zurückzukehren: Morgens um fünf ging es in aller Dunkelheit mit dem Dinghy zum Strand, von dort mit dem Leihwagen nach San Sebastian, dann weiter mit der Fähre nach Teneriffa und mit dem Bus zum Flughafen, bevor es nach über 3.000 Kilometern wieder „Hallo Deutschland“ hieß. Insbesondere Janschek möchten wir für die unvergessliche Zeit danken und ihm alles Gute für seinen Neustart in Deutschland wünschen. So sehr wir seine Entscheidung bedauern, zeugt diese auch von allerhand Größe und Mut!

Andre, Niclas, Rene und Sophie genossen noch ein paar Tage La Gomera und die Hippiebucht und entdeckten unter anderem eine stillgelegte Tomatenfabrik vor der majestätisch ein traumhafter, uralter Baum thronte, unter dem wir unsere Hängematte aufspannen und eine Siesta einlegen konnten. Dabei trafen wir auch eine Hippie-Oma, die uns erzählte, dass wir bereits nach zwei Tagen in der Bucht in aller Munde seien und man den vorherigen Tag, an dem wir mit den Hippies schnorcheln und Sub-Wing fahren waren, nie vergessen würde. Am Donnerstag ließen wir La Gomera wehmütig hinter uns, um Sophie zurück nach Teneriffa und am Samstag zum Flughafen zu bringen. Außerdem mussten wir auf Teneriffa noch Rene’s Reisepass abholen, den er aufgrund der sehr spontanen Zusage für die Transatlantik erst kurz vor seiner Abreise beantragen konnte und den wir an die Marina von Los Cristianos haben schicken lassen. Wir machten an einer Muringtonne vor der Marina fest, organisierten am nächsten Morgen einen Leihwagen und machten uns auf den Weg zum tiefen Regenwald im Norden von Teneriffa. Dieser ist auf jeden Fall einen Besuch wert und bietet unzählige Wanderwege durch alte Flussläufe und Feuerschneisen. Außerdem lassen sich unter dem dichten Blätterdach die glühend heißen Temperaturen hier auf den Kanaren deutlich besser aushalten. Als wir abends zurückkamen konnten wir in der Dunkelheit unser Boot vom Strand aus nicht wiederfinden. Ein kurzer Check bei Marinetraffic versetzte uns sodann in hellste Aufregung. Das Boot war ca. eine halbe Meile weiter westlich als wir es geparkt hatten. Wir rannten zum Dinghy im Hafen und Andre raste alleine zum Boot, das nunmehr nur noch am Anker – den wir neben der Muringtonne nicht ausgebracht hatten – kurz vor steinigen Klippen hing. Im Boot fanden wir eine Nachricht von Alex. Der Jetski-Fahrer hatte bemerkt, dass unser Boot vertrieben war und sofort reagiert! Ein riesiges Glück für uns!!! Danke Alex! Zu allem Überfluss riss beim Hochziehen der Außenborder noch die Halteleien und Niclas flog beinahe durch das halbe Cockpit. Dieser Tage war wahrlich nicht unser bester, aber dennoch ein riesen Glückstag!

Am nächsten Morgen brachte Andre Sophie zum Flughafen und für die Stammbesatzung der Running Deer begann nun das Warten auf Rene’s Pass. Wir nutzten die Zeit, um einige aufgeschobene und neue Reparaturen am Boot zu erledigen, einzukaufen und alles für die bevorstehenden längeren Segeletappen vorzubereiten. Nebenbei lernten wir in einer Bucht die sechsköpfige Crew der Orlando kennen, die ebenfalls auf dem Weg zu den Kap Verden und in die Karibik ist. Wir beschlossen am Dienstag bei einem guten Wetterfenster gemeinsam zu den Kap Verden zu starten und eine kleine Regatta aus unserem Segelabenteuer zu machen – der Einsatz konnte dabei natürlich nichts anderes sein als eine Runde Bier in der ersten Kneipe auf den Kap Verden. Ernüchtert mussten wir jedoch feststellen, dass Rene’s Pass am Dienstag noch immer nicht eingetroffen war, aber wir fanden es natürlich nur fair unseren neuen Freunden und ihrer Hallberg-Rassy 49 einen kleinen Vorsprung zu lassen. Als der sehnsüchtig erwartete Pass am Freitag noch immer nicht da war, aber uns in der Postfiliale versprochen würde, dass er in der nächsten Woche eintreffen würde, entschieden wir nochmal zurück nach La Gomera zu segeln und die Einladung der Hippis zur Pizzaparty in einem verlassenen Dorf wahrzunehmen. Auf Gomera drehten jedoch die Winde und wir mussten am Montag dringend in einen Hafen, um nicht auf Legerwall zu gehen. Leider waren alle Häfen auf La Gomera restlos überfüllt und so blieb uns keine Wahl außer bei schwerer Kreuzsee, Regenschauern und Sturmböen zurück nach Teneriffa zu segeln – zumindest unser Ölzeug hat sich aber sicherlich gefreut mal wieder Tageslicht zu erblicken. Die nächsten Tage bekamen die Kanaren die Ausläufer eines Atlantiktiefs zu spüren und lagen in Regen gehüllt, sodass wir viel Zeit im Salon und im Mietwagen verbrachten.

Am Mittwoch wagten wir einen neuen Versuch, um Rene’s Pass abzuholen. Dieses Mal fiel die Auskunft in der Postfiliale allerdings deutlich bitterer aus als das vorherige Mal. Rene’s Pass war schon wieder auf dem Weg zurück nach Deutschland, ohne jede Möglichkeit noch abgefangen zu werden. Unsere gute Laune war mit einem Schlag dahin, wir hatten fast zwei Wochen umsonst gewartet und nun keine wirkliche Idee, wie wir weitermachen sollten. Ein Bier später wurden jedoch schnell neue Pläne geschmiedet und wir taten das, was Segler immer tun: improvisieren. Die Lösung für unser Problem heißt Martinique! Das französische Übersee-Department gehört zur EU und kann daher mit einem einfachen Personalausweis angelaufen werden. Außerdem hat Sophie dort Familie, die Rene’s Reisepass entgegen nehmen kann. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, dass unsere Reisepläne mehr vom Zufall abhängen als von unseren Wünschen und dass gerade dieser Zufall uns immer außergewöhnliche Momente schenkt und so grämen wir uns keine Sekunde, um die verpassten Kap Verden, die wir nun nicht mehr mitnehmen können (zumindest nicht auf diesem Törn), sondern freuen uns über die zusätzliche Zeit in der Karibik. Der Starttermin für unsere Atlantiküberquerung ist Freitag der 04.12.2020, da sich das Tief oberhalb der Kanaren dann aufgelöst hat und die Winde für uns wieder gut stehen. Das bedeutet aber auch, dass uns nunmehr knapp 3.000 Seemeilen offener Atlantik und ca. 25 Tage auf See bevorstehen. Nachdem dieser Plan nun beschlossene Sache ist, steigt die Aufregung an Bord stetig und wir können kaum realisieren, dass schon morgen der größte Segeltrip, den wir jemals unternommen haben, beginnen wird.

In drei Wochen können wir dann – noch motivierter als heute – von den schneeweißen Sandstränden der Karibik berichten! Wir freuen uns unfassbar darauf, dass es jetzt endlich losgeht und wünschen euch allen zuhause eine frohe Weihnachtszeit. In diesen Tagen sind unsere Gedanken mehr denn je bei unseren Familien und Freunden, die in dieser besinnlichen Jahreszeit nicht mehr als eine E-Mail wöchentlich von uns bekommen und sich bestimmt sehr sorgen werden. Wir danken euch sehr für die ganze Unterstützung, die uns wiederfährt, und hoffen die Opfer, die wir euch auferlegen, sind nicht allzu groß.

Ahoi

Andre, Niclas & Rene

2020.11.13 Teil XIX Kanaren/Gran Canaria

Für unsere nächtliche Überfahrt nach Las Palmas/Gran Canaria waren leichte Winde angesagt, sodass wir noch im Hafen den Code 0 anschlugen. Aber bereits die Täler zwischen den staubigen Bergen Fuerteventura‘s, die den Winderschatten der Insel teilweise lichteten, ließen deutlich mehr Wind aufkommen als erwartet. So wurde aus der anfänglichen Code 0 Beseglung schnell die kleine Genua im Reff. Dafür kamen wir jedoch flott voran und liefen kurz vor Sonnenaufgang in den gigantischen Hafen von Las Palmas ein. Schon weit vor dem Hafen konnte man die riesigen Bohrinselschiffe sehen, die wie bunt geschmückte Weihnachtsbäume die Nacht erhellten. Da wir uns im Hafen nicht angemeldet hatten und dieser trotz seiner Größe zu dieser Jahreszeit aufgrund der kurz bevorstehenden ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) immer sehr überfüllt ist, versuchten wir zunächst einen Platz in der Ankerbucht unmittelbar neben dem Hafen und direkt vor der Innenstadt Las Palmas‘ zu finden. Auch dies war kein einfaches Unterfangen, da die Ankerbucht ebenfalls von anderen Segelbooten übersäht war. Zudem hatten wir unseren Ankerspil noch nicht repariert, sodass wir den Anker von Hand wieder hoch holen mussten, wenn er nicht hielt. Nach dem dritten Versuch war es geschafft, der Anker packte und wir hatten unseren Frühsport erledigt. Zur Belohnung begrüßte uns ein rot-oranger Sonnenaufgang über der Küste vor Las Palmas! Außerdem stießen wir in der Ankerbucht auf alte Bekannte: die beiden Dänen von der Artemis, die wir in A Coruña kennengelernt und mit denen wir einige Abende in den Buchten Galicien’s verbracht hatten, waren einen Tag zu vor in Las Palmas angekommen. Allerdings war es noch deutlich zu früh, um Henrik und seine Tochter Freja zu wecken und wir gingen erschöpft, aber zufrieden zu Bett und schliefen bis mittags aus.

Las Palmas ist als einer der größten Atlantikhäfen und jährlicher Startort der ARC für seine hervorragenden Reparaturmöglichkeiten bekannt, sodass es in den nächsten Tagen galt, das Boot für die Atlantiküberquerung vorzubereiten und gleichzeitig so viel wie möglich von den Insel zu sehen. Außerdem wollten wir den Schaden am Laminat im Steuerbordrumpf, den wir auf Madeira repariert hatten, von einem Fachmann bewerten lassen und auf dieser Basis eine abschließende Entscheidung treffen, ob wir die Tour mit der Running Deer wie geplant fortsetzen können und wollen. Am Dienstag wurde daher noch leicht schlaftrunken von der vorherigen Nachtfahrt allerhand organisiert: wir vereinbarten einen Termin für Mittwoch mit dem Experten, organisierten einen Leihwagen sowie einen Platz im Hafen und klapperten die gut ausgerüsteten Boatshops direkt vor der Marina ab.

Bereits am nächsten Tag konnte sich der Experte den Schaden angucken und wir waren sehr erleichtert, als er sein Ok für die Atlantiktour gab! Trotzdessen hatte Janschek uns bereits zuvor mitgeteilt, dass er uns nach den Kanaren wieder verlassen würde, da ihm das Boot zu unvertraut ist und er sich nicht vollständig darauf verlassen kann. Eine Entscheidung die wir sehr bedauern, aber voll und ganz respektieren, schließlich haben wir uns mit dieser Reise ganz schön was vorgenommen und jeder von uns muss zu 100% dahinterstehen und auf das Boot vertrauen können. Ersatz für Janschek war jedoch schnell gefunden, da René, der am Sonntag in Las Palmas landen sollte, kurzfristig zusagte, uns über den Atlantik zu begleiten! Ein Riesenglück, da insbesondere die langen Nachtfahrten zu dritt deutlich angenehmer zu bestreiten sind.

Die Woche gelang uns der Spagat zwischen reparieren, Entdeckungstouren und entspannen perfekt und am Montag hatten wir René an Bord, fast alle kleineren Reparaturen erledigt, reichlich eingekauft und zwei Inselrundfahrten quer über Gran Canaria unternommen! Dabei beeindruckte uns insbesondere die wunderschöne Westküste Gran Canaria’s mit hohen Klippen, weißen Sandstränden, beschaulichen Fischerdörfern, Felsküsten an den denen die Atlantikwellen meterhoch zerschellten und an der viel mehr Natur als noch auf Lanzarote und Fuerteventura zu sehen war. Auch die saharaähnlichen Sanddünen im Südosten bei Maspalomas waren ein absolutes Highlight: keiner von uns hatte bisher derartig hohe und weite Felder von reinen Sandhügeln gesehen! Wie kleine Kinder sprangen wir begeistert die steilen Dünen in den heißen Sand herab. Darüber hinaus lud die Altstadt von Las Palmas zu einigen Besuchen ein und wir entdeckten den besten Milchshake, den wir jemals getrunken hatten. Außerdem lernten wir einige Erasmus-Studenten aus aller Welt kennen und verbrachten einen Abend an einem abgelegenen Campingplatz, den wir ohne Locals wohl niemals entdeckt hätten. Am Sonntag bewunderten wir noch den Start der ARC und wünschten den uns Gleichgesinnten, allerdings wesentlich besser ausgestatteten, alles Gute für ihre Reise auf der wir ihnen schon bald nachfolgen werden. Dank der Mithilfe der beiden Mädels konnten wir sogar unsere eigene ARC-Flagge (an Bord der Running Deer: Atlantic Rave for Cruisers) basteln und unser Boot so endlich mit einem Logo ausstatten! Auch unsere Reparaturliste ließ sich im hervorragend ausgestatteten Las Palmas super schnell abarbeiten und so gibt es mittlerweile gefühlt kein Teil mehr an unserem Boot, dass wir nicht schonmal ausgetauscht oder repariert hätten! Für Interessierte nachfolgend der klägliche Versuch einer Aufzählung der unzähligen Reparaturen seit wir die Running Deer erworben haben von Achtern bis zu Vorsteven: Austausch der beiden defekten Innenbordmotoren gegen zwei Außenborder, Anbau eines Geräteträgers samt Solarpanelen, Reparatur der gebrochenen Grettinge im Cockpit, Anbau der Notantenne an den Geräteträger, Austausch der veralteten Navigationsinstrumente, Austausch der alten Batterien, mehrfaches Neubekleben des Himmels im Innenschiff, Einbauen neuer Steckdosen, Verlegen eines neuen Bodens, Austausch der Gassicherung, Anlaminierung der Möbel im Steuerbordrumpf, Einbau einer neuen Toilette, Reparatur der Mastelektrik, Anbringen einer Aluschiene für das Großsegel, Austausch des Lümmelbeschlags am Großbaum und der Reffleine für das Großsegel, Austausch des abgebrochenen Hauptschalters an der Steuerbordbatterie, Reparatur der Alischiene am Netz auf dem Vorschiff, Reparatur der gebrochenen Großschot, Nähen von Rissen in der G1, Nähen der Persenning für das Vorsegel, Austausch des Spibaumbeschlags, Austausch der Impeller sowie Ölwechsel an den Außenbordern, zweimal Abschleifen des Unterwasserschffes und Auftragen von neuem Antifouling.... Aber auch das ist Part of the Deal und verlangt uns immer wieder eine Menge Kreativität und Ideenreichtum ab!

Alles in allem hatten wir eine erfolgreiche und beflügelnde Woche in Las Palmas, nach der uns aber die Segellust wieder sehr gepackt hatte und wir es kaum erwarten konnten, weiterzureisen. Da wir mehrfach vor dem sog. Düseneffekt, einer erheblichen Windzunahme zwischen den einzelnen Kanareninseln gewarnt wurden und uns Henrik noch eine Ankerbucht im Süden von Gran Canaria empfehlen konnte, beschlossen wir in entspannten Tagestrips über Teneriffa nach La Gomera zu segeln und kamen am Dienstagabend nach einer sonnigen Überfahrt in der besagten Ankerbucht kurz hinter den traumhaften Sanddünen von Maspalomas an. Die Nacht verbrachten wir wie in Gottes Schoß und am nächsten Tag hissten wir vormittags die Segel mit Kurs auf Teneriffa!

Nun verbleiben uns noch zwei Wochen auf Teneriffa und La Gomera bevor es ca. 800 Seemeilen zu den Kap Verden und dann endlich auf zu unserem großen Ziel in die Karibik geht! Die Vorfreude wächst mit jedem weiteren Tag und die Tatsache, dass wir nahezu alle Vorbereitungen abgeschlossen haben, gibt uns ein sehr beruhigendes Gefühl! Nach dem Rückschlag auf Madeira scheint es nun wieder deutlich besser zu laufen! Diese Reise ist eben wie auch das Leben eine Achterbahnfahrt, deren Tiefen notwendig sind, um die Höhen wirklich schätzen zu können!

Jetzt heißt es auf der mit 6 Leuten übervoll besetzten Running Deer aber erst einmal eng zusammenrücken und die restliche Zeit hier auf den Kanaren voll auskosten!

Ahoi

André, Janschek & Niclas

2020.11.10 Teil XVII Kanaren/Lanzarote & Fuerteventura

Nachdem die strahlenden Lichter Madeiras am Horizont erloschen waren und wir unsere ganze Aufmerksamkeit wieder dem Blick gen Süden widmeten, verbrachten wir zwei traumhafte Segeltage auf dem Atlantik mit perfektem Wetter. Zwar waren die Wellen anfangs noch sehr ruppig, aber nach der ersten Nacht störte nichts mehr unser Segelvergnügen. Mit ungefähr 5 Knoten im Durchschnitt legten wir die 290 Meilen bis zur Playa Blanca im Süden von Lanzarote unter Code-Zero Beseglung wie im Flug zurück. Die Tage ließen sich optimal auf dem Vorschiff in der glühenden Sonne verbringen und die Nächte verzauberten mit taghellen Sternenhimmel. Auf der östlichsten der Kanareninseln angekommen, stellten wir erfreut fest, dass es dieses Mal keinerlei coronabedingten Einreisebeschränkungen gab und so konnten wir am frühen Samstagmorgen in der Marina Rubicon festmachen. Trotz der unproblematischen Einreise weckte uns der Hafenmeister um 9 Uhr morgens nach nur 2 Stunden Schlaf mit der Aufforderung unser Boot zu verholen und einzuchecken. Nachdem dies erledigt war, ließ die gleißende Mittagssonne weiteren Schlaf nicht zu und so entschieden wir uns, den kleinen Touristenort Playa Blanca zu erkunden. Dieser bot einige Bars und Restaurants sowie einen Berg aus Vulkangestein, den zumindest Niclas gegen Abend erklomm, aber ansonsten keine größeren Besonderheiten. Nach den wundervollen Landschaften in der Algarve und auf Madeira waren wir scheinbar zu verwöhnt geworden und so konnten uns auch das einheitliche Stadtbild von Playa Blanca mit den kleinen weißen Lehmhäusern und die Gärten aus schwarzem Vulkangestein nicht sonderlich beeindrucken. Aufgrund der vielen Baustellen und der freistehenden Felder aus Vulkangestein glich der Ort einer Baulandschaft mit einem von Touristen überlaufenen Stadtkern voller Restaurants und Souvenirläden. Höchst erfreut mussten wir aber feststellen, dass einer der kleineren Kioske tatsächlich Mount Gay Rum im Angebot hatte. Wir hätten nicht damit gerechnet, unseren absoluten Lieblingsrum, der uns leider bereits im Ärmelkanal ausgegangen war, auf unserer Reise noch einmal wiederzuentdecken. So hielt uns auch der im Vergleich zu Helgoland recht hohe Preis für das edle Getränk nicht davon ab, drei Flaschen mitzunehmen und direkt die erste davon wieder auszuleeren.  

Bereits bei unserem Anlegemanöver morgens hatte uns Arnd am Steg angesprochen. Arnd hat seine Firma in Deutschland verkauft und ist nun mit seinem neuen Lagoon 42 Katamaran „Kibo“ und seiner Frau Skarlet im Dauerurlaub auf Lanzarote gestrandet. Da die beiden bereits seit 3 Wochen auf Lanzarote waren, konnten sie uns abends bei einem Bier auf der Kibo einige hervorragende Tipps für die nächsten Tage auf Lanzarote geben. Wir organsierten uns einen Leihwagen und machten uns auf eine Inselrundfahrt. Dabei gab es vor allem eins zu sehen: Rotes Vulkangestein so weit das Auge reicht. Wenn sich doch einmal ein braungrüner Fleck in der Landschaft fand, so waren es Kakteenfelder, die aber ebenfalls unter dem staubtrockenen Klima zu leiden schienen. Wir fanden einige schöne Aussichtspunkte mit Blick auf die benachbarten Inseln und kauften Kaktuslikör sowie Lanzarote-Wein. Außerdem entdeckten wir zwei Vulkane und einen stillgelegten Staudamm, die wir zu Fuß erklommen und die etwas Abwechslung in die Inselrundfahrt brachten. So waren wir uns bereits nach einem Tag einig, dass wir unser Boot in eine kleine Ankerbucht neben der Marina verholen und noch etwas Zeit auf dem Wasser verbringen wollen.

Die Ankerbucht lud bei strahlendem Sonnenschein und glasklarem Wasser zum Sonnenbaden auf dem Vorschiff und Abkühlung bei einigen Schnorchelgängen ein. Außerdem hatte sich erst einige Tage zuvor ein kleinerer Katamaran bei auflandigen Winden vom Anker losgerissen und war ohne Besatzung an Bord an den steinigen Klippen zwischen den Sandstränden zerschellt. Die Reste des Wracks lagen nun auf den Steinen und konnten von jedermann begangen werden. Erneut eine klare Warnung für uns, die Naturgewalten niemals zu unterschätzen und stets Vorsicht walten zu lassen. Abends waren die Bedingungen mal wieder perfekt für einen Grillabend samt Lagerfeuer auf dem menschenleeren Strand. Dieser Teil des Segellebens war auf Madeira aufgrund der fehlenden Strände vollständig vernachlässigt worden und so freuten wir uns umso mehr endlich mal wieder eine kleine Beachparty veranstalten zu können. Skarlet und Arnd kamen uns besuchen und die alten Polster aus dem gestrandeten Katamaran ließen sich ausgezeichnet zu einer Beach-Lounge zweckentfremden. Am nächsten Mittag hatten wir genug von Lanzarote gesehen und wollten weiter Richtung Fuerteventura. Beim Einholen des Ankers mussten wir jedoch feststellen, dass sich die Ankerkette zwischen zwei Steinen in etwa 10 Meter Tiefe verhakt hatte und nun nicht mehr zu lösen war. Trotz einiger Tauchgänge und vielem Manövrieren konnten wir den Anker nicht lichten. Wir beschlossen uns Hilfe von der lokalen Tauchschule zu holen. Diese versprach uns gegen Abend zur Hilfe zu kommen. Kurz bevor es soweit war, starteten wir einen letzten Versuch und hatten großes Glück, da die Tide die Kette bereits befreit hatte – die schönsten Probleme lösen sich einfach durch Zeitablauf! Wir sagten der Tauchschule ab und freuten uns über die gesparten 150€. Da es jedoch schon recht spät war, beschlossen wir, nunmehr an einer Muringtonne festzumachen und erst am nächsten Morgen nach Fuerteventura überzusetzen. Beim Aufwachen stellte Niclas fest, dass er sich bei einem der Tauchgänge vom Vortag wohl übernommen hatte und besser einen Arzt aufsuchen sollte, um seine Lunge und Ohren checken zu lassen. Daher fuhren wir noch einmal Richtung Marina und konnten gegen Mittag – mit der guten Nachricht, dass alles in Ordnung war und Niclas sich nur einige Tage schonen sowie Ohrentropfen nehmen sollte, endlich die knapp 10 Seemeilen bis zur Isla de Lobos direkt vor Fuerteventura zurücklegen.  

Auch dort fanden wir wieder eine Muringtonne zum festmachen und Niclas erkundete die Insel während Andre, Janschek und Sophie sich fürs Schnorcheln in der fischreichen Bucht entschieden. Die Isla des Lobos überraschte trotz der zu Lanzarote sehr ähnlichen, monotonen Landschaft mit einigen Ruinen und abgestorbenen Küstenwäldern sowie einem alten, leerstehenden Leuchtturm. Die nächsten Tage segelten wir an der Ostküste von Fuerteventura entlang und legten kurze Stopps in Puerto del Rosario, Puerto del Castillo und Morro Jable ein. Dabei bot sich immer wieder ein ähnliches Bild: leergefegte Strände und Flaniermeilen vor hohen Reihen aus Hotels. Auf diesem Abschnitt unserer Reise machten sich Auswirkungen von Corona auf den Tourismus am krassesten bemerkbar und nach dem belebten Madeira fehlten uns die gut gefüllten Bars und Restaurants doch etwas. Zum Trübsal blasen war dennoch kein Anlass, da uns am Sonntag Leni aus Deutschland besuchen kam und jede Menge Motivation auf das Segeln und die kanarischen Inseln mit an Bord brachte. Außerdem versorgte uns Leni mit Knoblauchpfeffer und einer weiteren Flasche Mount Gay von Helgoland und wertete unsere Weiterreise damit auch kulinarisch erheblich auf! Montagabend stand der Wind gut und wir verließen die letzte Station auf Fuerteventura mit Kurs auf Las Palmas, Gran Canaria! Die Hauptstadt der Kanaren ist für einen der größten Atlantikhäfen und die jährlich im November stattfindende ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) berühmt. Den Start der Regatta über den Atlantik am 08.11.2020 wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen, da uns die gleiche Route bevorstehen wird. Bei der Überfahrt nach Gran Canaria wurden wir bereits von Arnd vor den Windkanälen zwischen den Inseln gewarnt, die teilweise zu erheblichen Abweichungen des vorhergesagten vom tatsächlichen Wind führen. Nach Gran Canaria sind es nur knapp 60 Meilen, sodass wir guter Dinge sind, bereits am Dienstagmorgen in den Hafen von Las Palmas einlaufen zu können.

Lanzarote und Fuerteventura waren sicherlich keine Highlights unserer Reise, aber boten dennoch nichts weniger als sehr viel Sonne und einige schöne Segel- sowie Strandtage. Und auch die Liegegebühren in den Häfen waren vergleichsweise sehr günstig. Außerdem konnten wir einige kleinere Reparaturen am Spibaum und den Benzinschläuchen vorbereiten, die wir auf Gran Canaria hoffentlich abschließen werden. Und gerade bei den Nachrichten, die uns derzeit aus der weit entfernten Heimat erreichen, ist uns bewusst wie dankbar wir für die unfassbar schöne und aufregende Zeit auf unserer Running Deer seien können! Viel zu oft verkennt man das Magische im Alltäglichen und grämt sich über Kleinigkeiten, die bei genauer Betrachtung keines Verdrusses wert sind. Und wie bereits Winnie Pooh uns lehrte: Die Menschen sagen nichts ist unmöglich, doch wir machen jeden Tag nichts. Mit dieser Weisheit im Hinterkopf freuen wir uns auf die weiteren Kanareninseln, die deutlich mehr Grün bieten sollen und immerhin mit zu den letzten Stationen auf dieser Seite des Atlantiks gehören. Auch die Besatzung wird auf Gran Canaria weiter wachsen, da wir am Sonntag Rene, der mit uns bereits die Biskaya bezwang, erwarten. Es wird also wieder reichlich eng in unserer kleinen See-WG!

Sonnige Grüße nach Deutschland

Andre, Janschek & Niclas

2020.10.30 Teil XVII Portugal/Madeira

Knapp 500 Seemeilen offener Atlantik lagen vor uns und zum ersten Mal wurde uns richtig bewusst, warum man das Atlantiksegeln auch als Blauwassersegeln bezeichnet - bereits kurz nach unserer Abfahrt aus Portimão strömte saphierfarbenes, kristallklares Wasser an den Rümpfen der Running Deer entlang. Ein herrlicher Anblick an den wir uns ab jetzt nur zu gerne gewöhnen werden. Weniger herrlich zeigte sich zu Beginn der Wind und keine 30 Minuten nachdem wir den Anker gelichtet hatten, vermeldete die Windex 0 Knoten. Aber dieser Zustand änderte sich schnell und anstatt der vorhergesagten 25-30 Knoten hatten wir plötzlich bis zu 40 Knoten Wind von achtern und surften mit bis zu 14 Knoten Bootsgeschwindigkeit die leuchtend blauen Wellen herunter. So legten wir am ersten Tag ganze 175 Meilen zurück - für uns alle eine absolute Rekordstrecke. Das schnelle Segeln und der starke Wind sowie die bis zu 8 Meter hohen Wellen forderten uns allerdings auch jede Menge Aufmerksamkeit ab und ließen kaum eine Ruhepause zu. Einige der riesigen Brecher stiegen bis in unser Cockpit ein und verwandelten dasselbe in einen Swimmingpool. Die nächsten beiden Tage ließen Wind und Welle nach und wir kamen zwar etwas langsamer, aber dafür auch deutlich entspannter voran. So konnten wir Funchal, die Hauptstadt von Madeira, in 3 statt der einkalkulierten 5 Tage am Montagnachmittag erreichen. Es blieb also noch genug Zeit für den obligatorischen Corona-Test. Bereits in Lagos hatten wir in der Marina von Funchal angerufen und uns über die Einreisebestimmungen informiert. Dort klang das alles ziemlich einfach: Anker werfen, Test ablegen und 12 Stunden später sei das Ergebnis da, sagte man uns. Dementsprechend legten wir uns zunächst vor dem Hafen von Funchal vor Anker und kontaktierten erneut die Marina. Diese verwies uns weiter an die Polizei, die uns wiederum an die Gesundheitsbehörde weiterleitete. Zudem kam auch noch die Hafenkontrolle Längsseite und forderte uns zum einklarieren auf. Nach viel hin und her durften wir am Dienstagabend den Coronatest machen und konnten Mittwoch endlich an Land!

 

Bereits von See aus beeindruckten uns die bewaldeten Berge und purpurnen Felsklippen auf Madeira sehr. In der ersten Nacht leuchteten die Straßenlaternen in Funchal vor uns auf wie ein bezaubernder Sternenhimmel auf offener See. Wir konnten es also kaum erwarten, diese zauberhafte Insel für uns zu entdecken. Die letzten Tage auf See und in Quarantäne war aber auch ein ganzer Wäscheberg angefallen und es mussten einige kleinere Reparaturen vorgenommen werden. Schweren Herzens erfüllten wir also noch die Pflichten, die das Leben auf See so mit sich bringt und organisierten für die nächsten beiden Tage einen Leihwagen. Als wir diesen am nächsten Tag in Empfang nahmen war vor allem André sehr ernüchtert: Statt des erhofften Jeeps gab es nur einen Fiat Panda - dies tat unserer Neugier jedoch keinen Abbruch und so wurde unser kleines Ashore-Racing Vessel mit bis zu fünftausend Umdrehungen die Berge von Madeira rauf und runter gequält. Unser erster Eindruck von dem abgelegenen Eiland mitten im Atlantik bestätigte sich schnell und die zwei Tage Inselrundfahrt boten jede Menge Spaß und wundervolle Natur: Ein Wasserfall mitten auf der Straße unter dem wir duschen konnten, unzählige Steilhänge voll mit Bananenstauden von denen wir sogar eine für unseren Geräteträger ergattern konnten, dichter Regenwald, in dem wir unseren gemächlichen Panda - zu diesem Zeitpunkt bereits als „The Beast“ berüchtigt - teilweise die matschigen Hügel hochschieben mussten, steinige Klippenwege, an denen man nur mit Hilfe von Seilen herunter kam, schwarze Felsküsten, eine gläserne Aussichtsplattform und immer wieder kurvige Serpentinenstraßen und Tunnel über und durch die etlichen Berge. Besonders beeindruckend war, wie schnell sich die Landschaft veränderte - stand man in einem Moment noch mitten im belebten Urwald so fand man sich im nächsten in einer kargen Marslandschaft wieder. So bot Madeira für jeden Geschmack etwas und ließ keinerlei Langeweile aufkommen!

 

Am Wochenende kamen uns Lara und Siri aus Deutschland besuchen und wir lernten Heather und James kennen, die aus England im Urlaub auf Madeira waren. Außerdem trafen wir Carlos, der aus Venezuela eingewandert war und in einem Restaurant jobbte. Eine bunt zusammen gewürfelte Truppe einzigartiger Menschen mit denen wir noch jede Menge unvergessliche Momente auf Madeira erlebten: Einige Wanderungen durch die Wälder zu abgelegenen Berg- und Küstenseen, in denen es sich hervorragend schwimmen ließ, natürlich auch die ein oder andere durchzechte Partynacht und die Bezwingung des mit 1862 Metern höchsten Gipfels Madeiras, dem Pico Ruivo! Absolut empfehlenswert ist auch der Poncha, eine Spezialität Madeiras aus Rum und handgepressten Früchten.

 

Nachdem so recht schnell zwei Wochen auf der Blumeninsel vergingen, war es an der Zeit weiter zu unserem nächsten Ziel, den 300 Meilen weiter südlich gelegenen Kanaren aufzubrechen. Wir planten am Samstag nochmal groß einzukaufen, das Boot klar zu machen und uns von allen zu verabschieden. Doch dieses Mal hatte unser Boot andere Pläne für uns: Am Samstagmorgen entdeckten wir, dass sich die Anlaminierung der Trennwände im Steuerbordrumpf gelöst hatte. Offensichtlich hatte die erste Nacht der Überfahrt nach Madeira mit den mächtigen Wellen ihren Preis gefordert. Ein empfindlicher Schaden für die Stabilität des Bootes mit dem wir keinesfalls weiter zu den Kanaren segeln konnten. Das Wochenende war die Stimmung auf dem Nullpunkt, aber gleich am Montag suchten wir die nächstgelegene Werft auf und planten die erste „Wintersaison“ für die Running Deer. Bereits am Dienstag konnte das Boot aus dem Wasser geholt und sicher in der Werft unter dem Flughafen von Madeira abgestellt werden. Wir besorgten uns zudem einen Leihwagen - Fiat Panda natürlich - und eine Ferienwohnung, da unser Boot in den nächsten Tagen zur Großbaustelle wurde. Wir bauten einen Großteil der Verkleidung im Steuerbordrumpf aus, klebten die Backbordseite ab, schliffen das alte Laminat ab und übergaben dann an George (Deckname „Josh Josh“), einen mit GFK-Arbeiten erfahrenen Mitarbeiter der Werft. Während Josh Josh und sein Kollege Alano (Deckname „Portugiesischer Tanno“) im Innenraum das Laminat erneuerten, nutzten wir die Gelegenheit um das Unterwasserschiff zu schleifen und neues Antifouling aufzutragen. In den Mittagspausen brachte uns Alano Bananen und Mangos von seiner Plantage mit und so hatten wir gut gestärkt alle Reparaturen bis Freitag erledigt. Ein großes Glück waren auch die geringen Stundenlöhne auf Madeira, da wir die Reparatur andernfalls kaum hätten bezahlen können. Mittwochs blieb nach der Arbeit auch noch genug Zeit, um in Niclas Geburtstag reinzufeiern. Diesen hatte er sich zwar anders vorgestellt, aber seit Beginn unserer Reise ist das Unerwartete und Unplanbare unser steter Begleiter - gerade hierin liegt auch immer ein Reiz, der unser Abenteuer so aufregend macht. Zur Feier des Tages gönnten wir uns noch einen neuen Haarschnitt von Carlos auf der Straße vor unserem Appartement. Carlos erwies sich als wahres Multitalent und machte seine Arbeit ganz hervorragend. Das Wochenende war die Werft geschlossen und ein Sturmtief zog über Madeira hinweg, sodass die Insel im Regen versank. Das perfekte Wetter also, um uns in unserem Appartement ohne größeres Programm von der Arbeitswoche zu erholen. Außerdem kam uns erneut Sophie, die uns bereits in der schönen Bretagne begleitet hat, besuchen und ergänzte die Besatzung der Running Deer. Zum Wochenstart bauten wir alle Möbel wieder ein und brachten das Innenleben der Running Deer wieder auf Vordermann. Außerdem kauften wir für die Überfahrt zu den Kanaren, die als Testfahrt für das neue Laminat dienen soll, ein und bereiteten alles vor, um am Mittwoch aufbrechen zu können. Nachmittags wanderten wir noch einmal um den Osten der Insel, eine sehr karge Hügellandschaft, die aber durch ihre steilen Aufstiege und den wunderbaren Ausblick auf Madeira sowie die Ihlas Desertas auf jeden Fall einen Besuch wert war! Außerdem konnten wir noch ein Bild an die Hafenmole von Funchal malen - eine Tradition, die schon unzählige Segler vor uns gelebt und so die Hafenmole in ein einzigartiges Kunstwerk verwandelt haben. Auch hier kam uns die Anwesenheit von Sophie sehr zu Gute, da uns doch recht schnell bewusst wurde, wie limitiert unsere künstlerischen Fertigkeiten sind.

 

Am Mittwochnachmittag verabschiedeten uns Troy und Laureen, zwei weitere Engländer die wir auf Madeira kennengelernt haben, an der Werft und wir hissten zum ersten Mal seit zwei Wochen endlich wieder die Segel mit Kurs auf die östlichste Kanareninsel Lanzarote. Knapp 300 Seemeilen gilt es zurückzulegen und wir rechnen mit ca. 2 1/2 Tagen Fahrt. Noch 50 Meilen nach dem Ablegen konnten wir in der tiefen Nacht die strahlenden Lichter Madeiras am Horizont erspähen. Als nächstes können wir hoffentlich mit neu gefassten Vertrauen in unsere altersschwache, aber hoch erfahrene und vielfach erprobte Running Deer von den Kanaren berichten - gewiss ein weiteres Highlight unserer Reise! Madeira können wir jedem Naturliebhaber und Wanderfreund nur sehr ans Herz legen. Auch von Corona ist die kleine Insel bisher weitgehend verschont geblieben und es gibt nur minimale Einschränkungen im öffentlichen Leben. Eine wahre Festung der Normalität in diesen chaotischen Zeiten! Nun freuen wir uns sehr auf die Kanaren, so schön Madeira auch war, 3 Wochen an einem Ort zu verweilen entspricht nicht dem Geist unserer Reise und es wird allerhöchste Zeit für neue Abenteuer!

 

Ahoi

 

André, Janschek & Niclas

2020.10.03 Teil XVI Portugal/Algarve

Unser erste Stopp in der Algarve war am späten Sonntagabend eine Ankerbucht am südwestlichsten Punkt Europas, dem Cabo de Sao Vicente. Der Tag auf See war schwachwindig, aber wir kamen mit etwa 4 Knoten stetig voran und vertrieben uns die Zeit mit Kochen, Filmen und dem Beobachten von Delfinen – die mit Abstands größten, die wir bisher erspähen konnten. Obwohl uns die Delfine nunmehr täglich begleiten, ist es immer wieder ein Vergnügen zu sehen, wie die verspielten Tiere zwischen unseren Rümpfen hin und her zischen. Bereits bei Umrundung des Kaps wurde uns klar, dass die Berichte über die Algarve nicht gelogen waren: riesige, weinrote Steinküsten ragen eindrucksvoll aus dem Atlantik und bilden den Anfang Europas. Zum Grillen des frischen Fisches aus Lissabon war es an diesem Abend leider schon zu spät und so holten wir etwas fehlenden Schlaf von der Nachtfahrt nach. Am nächsten Morgen ging es mit den Jungs von der Ranch-o – wie Andre unser Beiboot liebevoll taufte – an Land. Wir besichtigten die Fortaleza de Sagres und verewigten dort die Running Deer im Steinlabyrinth, bevor es unter idealen Bedingungen wieder auf See ging. Unser nächstes Ziel war das etwa 17 Meilen entfernte Lagos, wo wir noch dringend die Sim-Karte für unser Satellitentelefon in Empfang nehmen mussten. Auf der Überfahrt erlaubten wir uns einen Spaß mit Harry und Thomas und zeigten den beiden die Grenzen des 20 Tonnen schweren Rantje auf, indem wir sie mit unserem flinken Katamaran zweimal umrundeten. Eine Schmach, die Harry so nicht auf sich sitzenlassen konnte und so warf er uns auf die Frage nach einem Bier für die Regattasieger nur ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk herüber. In Lagos angekommen konnten wir am Strand endlich den Fisch aus Lissabon grillen und an einem abgelegenen, traumhaft schönen Strand ein Lagerfeuer machen. In der Nacht besuchte uns ein fast vergessener Freund aus früheren Gewässern: Die Tide hatte an unserem Strand ein Minenfeld als kleinen Steinen und Felsen freigelegt, sodass wir unser Dinghy durch einen engen Felstunnel zu einem anderen Strand schleppen mussten, um wieder zurück zum Boot kommen zu können. Die nächsten beiden Tage machte sich wieder der schlechte Einfluss von Harry bemerkbar und der Partymarathon aus Lissabon wurde in den sehr gut besuchten Kneipen Lagos fortgesetzt. Keine der beiden Nächte endete trotz der Sperrstunde um 1 Uhr nachts vor 6 Uhr morgens. So wurde nach 1 Uhr auf einem Platz direkt an der Playa und am Strand weitergefeiert und viele neue Kontakte geknüpft. Und natürlich gab es auch noch eine After-Hour auf dem Boot. Lagos ist einer der Touristen- und Surfer-Hotspots in der Algarve und wir lernten Menschen aus aller Welt kennen - eine wirklich bereichernde Erfahrung!  

Am Donnerstag sahen Andre und Janschek noch die ersten SUP- und Kajakfahrer, bevor sie in die Koje fielen. Niclas wurde gegen 10 Uhr von einem Anruf aus der Werft geweckt. Unsere Mastelektrik musste dringend repariert werden, da die Pinne im Verbindungsstecker teilweise vollständig korrodiert waren und unser Ankerlicht bereits ausgefallen war. Noch im Halbschlaf musste Niclas erstaunt feststellen, dass Andre und Janschek nicht in ihrer Kammer, sondern noch an Bord der Rantje waren und dort im Salon schliefen. Fix wurden die Beiden mit dem Dinghy aufgegabelt, der Anker gelichtet und das Boot zur Werft gefahren. Während die beiden Mechaniker sich unserer Mastelektrik widmeten, richteten wir das Satellitentelefon ein und informierten uns über die Corona-Beschränkungen auf unserem nächsten Reiseziel: Die mitten im Atlantik gelegene Insel Madeira. Unseren anfänglichen Plan Marokko anzulaufen, hatten wir aufgrund der Corona-Situation und der Einreisebeschränkungen dort aufgeben müssen – auch dies ist von nun an täglicher Begleiter unsere Reiseplanung. Aber mit Madeira haben wir eine nächste Etappe gefunden, die Marokko sicherlich in nichts nachstehen wird, ist das kleine Atoll doch als Blumeninsel bekannt. Zwar hätten wir gerne noch etwas die traumhaft schönen Küsten der Algarve erkundet, aber ab Freitag bot sich ein ideales Wetterfenster mit 15-25 Knoten beständigem Wind aus Nord um die 500 Meilen nach Madeira übersetzen zu können. So wurde der Donnerstag trotz Kater optimal genutzt und am Abend war die Elektrik repariert, das Satellitentelefon einsatzbereit, die Tanks wieder aufgefüllt, alle erforderlichen Dokumente aus Lagos eingeholt und der Kühlschrank nach einem Großeinkauf wieder gut gefüllt. Wir segelten noch ein paar Meilen nach Portimao um uns ein letztes Mal mit unseren Freunden von der Rantje zu treffen, die bereits am Mittag dorthin übergesetzt hatten. Wir verbrachten einen ruhigen Abend und erledigten am nächsten Morgen noch die verbliebenen kleineren Reparaturen an der Funkantenne und der Großschot, bevor wir gegen Mittag die Segel setzten, um uns endlich das Prädikat Blauwassersegler zu verdienen. Von nun an stand fest: Für mindestens acht Monate würden wir Kontinentaleuropa sowie jegliches Festland nicht mehr zu Gesicht bekommen. Eine Tatsache, die uns erst nach dem Ablegen so richtig bewusst wurde und unsere Herzen vor Aufregung und Vorfreude auf die kommenden Monate höher schlagen ließ.  

Nun rechnen wir mit 4-5 Tage auf dem offenen Atlantik, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Auf Madeira angekommen werden wir einen Corona-Test ablegen und bis zum Ergebnis in Quarantäne gehen müssen, dies soll nach Auskunft der Behörden jedoch nur 12 Stunden dauern, was nach einer langen Zeit auf See verkraftbar sein dürfte. Sobald wir auf Madeira angekommen sind, werden wir von unserer ersten echten Hochseeetappe berichten und senden bis dahin Grüße in die sich immer weiter entfernende Heimat

Andre, Janschek & Niclas

2020.10.03 Teil XV Portugal / Lissabon

Bereits bei der Einfahrt in den Hafen Alcantara kurz hinter der Vasco-da-Gamma Brücke in Lissabon fiel Andre ein 13 Meter Stahlboot an der Hafenmohle auf. Er kannte die „Rantje“ noch aus Hooksiel und wir konnten kaum glauben, dass wir nicht das einzige Schiff von dort im Hafen von Alcantara waren. Allerdings trug die Rantje nunmehr das Banner eines Berliner Segelvereins. Es war schon spät und wir entschieden uns am nächsten Tag über das Schicksal der Rantje zu informieren. Nach einigen Reparaturen und Erledigung der Wäsche am nächsten Morgen trafen wir den Eigner des vertrauten Bootes gegenüber von uns. Harry, dessen Markenzeichen es ist immer eine Klappsauna mit an Bord zu haben und der daher auch Saunabaron genannt wird, hatte das Boot letztes Jahr erworben und befindet sich nun auf großer Fahrt rund um die Welt. Da er während seiner Studienzeit bereits öfters in Lissabon war und das Nachtleben kannte, beschlossen wir abends zusammen in die Kneipenstraßen von Lissabon aufzubrechen. Der Abend begann mit einem traumhaften Überblick über den Rio Tejo und die imposante Vaso-da-Gama Brücke in einer Skybar direkt beim Hafen von Alcantara. Während unserer weiteren Reise durch die belebten Straßen von Lissabon freundeten wir uns mit dem Besitzer der Bar Pescador an. Dieser war sehr angetan von unseren Plänen und erzählte uns, dass er von den Kap Verden kommt und seine Familie immer noch dort lebt. Kurzerhand schossen wir ein Polaroidphoto und Horacio schrieb eine kurze Botschaft an seine Mutter, die wir auf den Kap Verden überbringen werden. Feuchtfröhlich ließen wir den Tag bis zur Sperrstunde um 1 Uhr nachts ausklingen und kehrten zum Hafen zurück. Die nächsten Tage verliefen ähnlich und so entwickelte sich die Zeit mit Harry in Lissabon zu einem einzigen Partymarathon quer durch Lissabon. Immerhin konnten wir auch ein bisschen Kultur erleben: Wir tranken am Largo de Sao Domingos den klassischen portugiesischen Kirschlikör Ginjinha, den wir jedem Likörliebhaber nur herzlichst empfehlen können. Außerdem erkundeten wir Lissabon zu Fuß und auf E-Scootern und Niclas schaffte es sogar in eine portugiesische Jura-Vorlesung. Am Freitag, unserem letzten Abend in Lissabon, besuchten wir ein Fado-Restaurant. Fado ist typisch für Lissabon und besteht aus einem mehrgängigen Festmahl, wobei die einzelnen Gänge mit musikalischen Aufführungen, die einer Art Musical gleichen, unterbrochen werden. Erneut bereitete uns die portugiesische Musik wahre Gänsehaut, obwohl wir natürlich kein Wort verstanden. Die kraftvolle Stimme der kleinen Sängerin hallte imposant durch die flachen Gemäuer des Fado-Restaurants und begeisterte uns in jeder Hinsicht! Ein absolutes Muss für jeden Besuch in Lissabon!

Für Samstag war eigentlich ein Tag mit Harrys Sauna am Steg zur Erholung von den ganzen Strapazen der letzten Tage geplant. Als jedoch das zunächst für Samstag vorhegesagte Gewitter ausblieb entschieden wir, dass die 4 Tage Partymarathon genug waren und wir weiter Richtung Algarve segeln wollen. Harry, für den es dieses Jahr ins Mittelmeer geht, bevor er nächstes Jahr in die Karibik will, beschloss sich uns anzuschließen. Bereits am Donnerstag war ein Freund von Harry zu uns gestoßen und damit hatten wir echt prominenten Besuch bekommen: Thomas, der sich einst Mister BTU nennen durfte, und von nun an als Koch auf der Rantje mit uns reiste. Außerdem sprach uns am Samstag am Steg von Alcantara kurz vor unserer Abreise der Berliner Unternehmensberater Michael an. Er wollte erste Segelerfahrungen sammeln und wir nahmen ihn gerne bei uns auf. So ging es wieder mit 6 Leuten und 2 Booten los zu unserem letzten Reiseabschnitt in Portugal und damit auch in Kontinentaleuropa: die viel angepriesene Algarve.

Dort werden wir voraussichtlich nach etwa 100 Seemeilen schon am Sonntag ankommen und von unseren Eindrücken berichten können. Bis dahin wünschen wir euch allen zuhause einen schönen Spätsommer!

Andre, Janschek & Niclas

2020.10.03 Teil XIV Portugal / Road to Lisbon

Nach der langen Zeit in Porto wollten wir nun einige Ankerbuchten auf dem Weg nach Lissabon mitnehmen. Am frühen Abend sahen wir einige Meilen über unserem ersten Ziel Aveiro dichte Rauchschwaden aufziehen. Aveiro war uns von einem alten Seemann im Hafen von Porto wegen seiner traumhaften Ankergelegenheiten empfohlen worden. Eine kurze Googlesuche gab die Erklärung zu der in Rauch gehüllten Landzunge: In der Mitte Portugals herrschten heftige Waldbrände und ablandige Winde trieben den dichten Rauch weit auf die See hinaus. Wir entschieden uns dennoch zumindest mal einen Blick in die verzweigten Kanäle und Buchten vor Aveiro zu werfen und warfen gegen Mitternacht unseren Anker in das mit Rus bedeckte Meer. Kurz zuvor konnten wir noch die Überreste der Motion bewundern. Ein 80 Fuß langer Ultime Trimaran, der im September 2019 vor der Küste Portugals durchgekentert war und nunmehr in Aveiro dem Verfall überlassen wurde. Eindrucksvoll führte uns dieser Anblick vor Augen, was die Naturgewalten auf See selbst mit einem top ausgerüsteten und bestens besetzten Schiff anrichten konnten. Als der Rauch sich am nächsten Morgen sich immer noch nicht gelichtet hatte und an ein Verlassen unseres Bootes nicht zu denken war, entschieden wir Aveiro zügig wieder zu verlassen und nach einer besseren Ankergelegenheit Ausschau zu halten. Kurz nachdem wir die Bucht verlassen hatten, lichtete sich der Rauch, aber leider ließ auch der Wind nach. Wir nutzten die Flaute um unsere neuen Spielzeuge aus Porto ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen: Mit dem Subwing wurde hinter unserem Schiff getaucht, während darüber auf dem Surfbrett und dem SUP gesurft wurde. Gegen Abend kam wieder etwas Wind und wir segelten in die Nacht. Und diese Boot uns erneut ein Delfinshow der Extraklasse: Im Meeresleuchten konnten wir die anmutigen Meeressäuger beobachten, während sie einen Fischschwarm jagten. Die kleinen Fische schossen wie eine Schar unzähliger gelb-grüner Sternschnuppen dicht verfolgt von den rieseigen Delfinen durch das Wasser. Erneut ein Zusammenspiel verschiedener Naturschauspiele, das sich kaum in Wort fassen lässt.  

Am frühen Morgen erreichten wir Peniche, wo wir allerdings bereits gegen Mittag wieder ablegten, um die ca. 7 Meilen entfernte Insel Berlenga anzusteuern. Diese hatten wir zuvor auf der Seekarte entdeckt und nach einer kurzen Internetrecherche war uns klar, dass wir das paradiesisch anmutende Eiland auf unserer Reise mitnehmen mussten. Vor der Insel, die bereits aus der Ferne durch ihre hohen Steilklippen und tiefen Felsspalten unseren Entdeckergeist weckte, gab es einige Murringtonnen an denen wir festmachen konnten. Wir machten uns sofort auf eine Erkundungstour über die felsige Insel und wurden nicht enttäuscht. Trotz der vielen Touristen am Anleger bot die Insel viele abgelegene Pfade, die uns das Gefühl gaben, nie sei ein Mensch zuvor so weit vorgedrungen. Den Abschluss des Tages bot ein Fort aus dem 16. Jahrhundert, das vor der Insel mitten im Meer errichtet wurde und nur über schmale Brücken zu erreichen war. Den Sonnenuntergang sahen wir am höchsten Punkt der Insel völlig abgelegen von Gott und der Welt mit einem traumhaften Ausblick über den Atlantik und einer Flasche Cola-Rum. Mehr an Erlebnissen konnte der Tag fast nicht bieten. Auf unserem Rückweg zum Boot trafen wir Bakesh, der schon seit 30 Jahren auf der Insel lebte und uns am nächsten Tag zum Mittagessen einlud. Außerdem bot er uns an weiter an der Murringtonne, die eigentlich den Einheimischen vorbehalten war, gegen Bezahlung in Form einer Flasche Rum liegen zu können. Ein sehr guter Deal für einen Liegeplatz direkt vor der traumhaften Insel.

Am nächsten Tag setzten Andre und Fynn zur Insel über, um uns auszulösen und Bakesh zu fragen, was für den Tag so anstand. Währenddessen schnorchelte der Rest der Besatzung die felsigen Küsten entlang und tief in die beeindruckenden Felsspalten hinein. Nach der Rückkehr von Andre und Fynn ging es gegen Mittag zu einer Party der Inselbewohner in einer kleineren Bucht auf der Westseite der Insel. In der Bucht angekommen lernten wir viele weitere Einheimische, darunter Vasco, Maria und Frogman, kennen. Frogman, ein ehemaliger Kampftaucher der portugiesischen Marine versprach uns ein außergewöhnliches Abendessen, für das er nun den Fisch besorgen werde. Nach einem langen Nachmittag in der Bucht ging es mit dem Motorboot von Vasco auf eine Inselrundfahrt um und durch die unzähligen Felsspalten. Diese bot die perfekte Mischung aus Adrenalin bei der Beschleunigung des 100 PS starken Bootes und Gänsehaut als Maria, eine Köchin aus Lissabon, in einer der Schluchten ein portugiesisches Volkslied anstimmte, das kraftvoll zwischen den hohen Klippen hallte. Eine Akustik, die keine Oper der Welt uns hätte bieten können und eine wundervoll weiche, aber zugleich mächtige, Stimme, wie wir sie noch nie zuvor gehört hatten. Um 19 Uhr waren wir mit den Inselbewohnern zum gemeinsamen Abendessen verabredet. Pünktlich wie es sich für Deutsche gehört und mit einer großen Portion Hunger setzten wir zur Insel über. Dort mussten wir ernüchtert feststellen, dass es die Portugiesen allgemein etwas entspannter hielten als wir. So vergingen noch drei Stunden bis die Tische endlich gedeckt waren und wir mit etwa 20 Leuten den von Frogman gefangenen Fisch und die gesammelten Muscheln – die im Restaurant etwa 400-500 € das Kilo gekostet hätten – verzehren konnten. Dazu gab es von Frogman selbst gebrannten Berlengas-Moonshiner, der einem ein Loch in den Rachen brannte. Ein absolut gelungenes Festmahl in allerbester Gesellschaft! Und als wäre an diesem Tag nicht schon genug passiert, ging es nachts noch mit den Schlauchbooten auf eine Party in eine der vielen Felsspalten der Insel. Die Portugiesen wissen wirklich wie man lebt!

Am nächsten Morgen hisste Andre noch mit Bakesh die Flagge des Heimatvereins der Running Deer, Sail-Lollipop, über den Bergen der Insel, bevor es weiter Richtung Cascais ging, damit Nicklas und Fynn ihren Flieger am Sonntag in Lissabon erreichen konnten. Leider hatten wir erneut Flaute, sodass wieder auf dem offenen Atlantik gesurft und ein Zwischenstopp 20 Meilen vor Cascais in Ericeira vor Anker eingelegt wurde. Nicht die schlechteste Wahl, denn die kleine Altstadt bot allerhand Leben und einen schönen portugiesischen Flair. Den letzten Tag mit Nicklas und Fynn segelten wir rasch zur gut geschützten und sehr vollen Ankerbucht vor Cascais und machten auch dort am Samstagabend die Altstadt unsicher. Am folgenden Mittag verließen uns die letzten beiden verbliebenen Mitsegler und wir erkundeten noch etwas Cascais mit unseren Pennybords. Dabei lernten wir Stefan kennen, der bereits seit 14 Jahren mit dem Buli und danach mit dem Segelboot um die Welt reist. Wir hatten einige interessante Gespräche, erneut Moonshiner- dieses Mal aus Norwegen – und reparierten noch spät in der Nacht Stefans Spi-Fall. Am nächsten Morgen hissten wir den Anker und legten die letzten 10 Meilen nach Lissabon zurück. Hier werden wir einige Reparaturen vornehmen und die zweite portugiesische Großstadt erkunden. Danach geht es weiter Richtung Algarve, wo wir erneut viel Ankern und die traumhafte Landschaft entdecken wollen. Nun nur noch mit der Stammbesatzung unterwegs wird es wohl etwas ruhiger auf der Running Deer werden… dachten wir..

Von diesem Abschnitt unserer Reise können wir vor allen Dingen die Berlengas empfehlen. Freundet man sich dort mit den Einheimischen an kann man für wenig Geld eine einzigartige Zeit in einem kleinen Paradies verbringen. Was uns die nächsten Etappen unserer Reise für Abenteuer bieten werden weiß der Wind allein. Bis dahin ein munteres Ahoi in die Heimat  

Andre, Janschek & Niclas

2020.09.11 Teil XIII Portugal/Porto

Von Vigo ging es früh morgens los mit Kurs auf Porto, wo am Montag Janscheck die Stammbesatzung der Running Deer komplementieren sollte. Die letzte Überfahrt zu zweit erwies sich als eine der besten Segeletappen unserer bisherigen Reise. Der portugiesische Norder schob uns unter ausgebäumter Schmetterlingsbeseglung innerhalb von 12 Stunden knapp 80 Meilen bis zu unserem nächsten größeren Zwischenstopp. Ein traumhafter Vorgeschmack auf die bevorstehende Atlantiküberquerung! Voller Vorfreude auf die nächsten Tage erreichten wir Porto am frühen Abend. Allerdings stellten wir schnell fest, dass dieser etwas außerhalb gelegene Teil Porto‘s an einem Sonntagabend nicht sonderlich belebt ist. Daher ging es nach einer kurzen Runde Fußball mit einigen Portugiesen auf dem lokalen Soccer-Court ab in die Koje.

 

Porto überzeugte uns zuerst mit dem hervorragend verknüpften Bootsstore direkt neben der Marina. Innerhalb von zwei Tagen konnte ein Schweißer für die Aluschiene und eine Näherin für das Netz sowie das Vorsegel organisiert werden. Und auch die benötigten Ersatzteile für den Motor sollten noch innerhalb der Woche ankommen. Uns stand also ein längerer Reparaturstopp in Porto bevor. Dieser hielt uns aber nicht davon ab Janscheck vom Flughafen abzuholen und einen Grillabend am Strand mit unseren Stegnachbarn aus Deutschland sowie Matthias und Luisa von der Cisco zu verbringen. Am nächsten Tag machten wir uns - von nun an zu dritt - auf Erkundungstour durch die Innenstadt von Porto. Und diese bot eine Menge Sehenswürdigkeiten und einen wunderschönen Ausblick über den Rio Douro mit seinen vielen alten Eisenbahnbrücken. Dort kamen wir auch mit Nesi und Pompeo, zwei jungen Portugiesen, ins Gespräch und verbrachten den restlichen Tag mit den beiden, die uns noch einige Geheimtipps in Porto wie die belebte Bar-B zeigen konnten.

 

Am Mittwoch war André‘s Geburtstag, und ein frisch gebackenes Geburtstagsbrot bereitete uns einen angemessenen Start in den Tag. Kurz zuvor wurden wir von unserem neuen Kurzzeitmitsegler Nicklas geweckt, der bereits am frühen Morgen mit dem Flugzeug in Porto gelandet war. Ein bis zwei Stunden später hätte uns sicher auch gut gefallen. Während Niclas und Nicklas sich nach dem ausgiebigen Frühstück aufmachten, um Nachschub an Bier und Lebensmitteln zu besorgen, nahmen André und Janscheck weitere Reparaturen an Netz und Rigg vor. Abgerundet wurde der ungewöhnlich lange Tag mit einem weiteren Grillabend samt traumhaften Sonnenuntergang am schönen Sandstrand Porto‘s. Die nächsten beiden Tage hieß es weiter reparieren und gleichzeitig Porto entdecken, der Spagat gelang uns sehr gut und so hatten wir das meiste bereits erledigt als am Freitag Fabsi und Fynn in Porto ankamen. Nun war auch die letzte Ecke unseres kleinen Schiffs voll mit Klamotten, aber bei so einer verrückten Truppe störte das kein bisschen. Das Wochenende entwickelte sich zu einer Non-Stop-Party quer durch das Studentenviertel Portos. Insbesondere die portugiesische Spezialität Somersby mit Absinth traf bei uns auf offene Arme. Die Portugiesen bzw. die dort lebenden Brasilianer erwiesen sich nach Genuss des giftgrünen Cocktails sogar als so gastfreundlich, dass Niclas das ganze Wochenende mal wieder in einer richtigen Wohnung schlafen konnte - sehr zur Freude von Fabsi, der sich den Platz in Niclas Koje sicherte. Aber wir lernten nicht nur Einheimische kennen, sondern auch Anja und Luisa aus Deutschland und zudem verbrachten wir viel Zeit mit unseren Freunden von der Cisco, die es kurz nach uns nach Porto geschafft haben. Die Tage verbrachten wir am Strand und versuchten unser neues Surfbrett aus - bisher noch mit mäßigem Erfolg, aber wir haben sicher noch genug Zeit zum üben! Nach drei durchzechten Nächten und der täglichen Action am Strand wurde uns aber am Montag klar, dass es wieder an der Zeit war, die Segel zu hissen. Wie klarierten das Boot auf, tätigten noch einen Großeinkauf und fuhren wieder Richtung Süden!

 

Mal eine ganze Woche an einem Ort zu verbringen hat uns definitiv sehr gut getan. Und auch unsere Running Deer freute sich sehr über die Pflege- und Instandsetzungsarbeiten. Aber keine Tour bleibt ohne Verluste - so mussten wir am letzten Tag in Porto feststellen, dass unser Frühstückstisch, den wir an die Reling gelehnt hatten, im Hafen über Bord gegangen war. Ein ärgerlicher, aber verkraftbarer Rückschlag für unseren morgendlichen Frühstückskaffee an Deck. Außerdem ist auch der Abschied unser stetiger Begleiter: So hieß es vorerst auf Wiedersehen zu Luisa und Matthias von der Cisco, die noch einige Zeit in Porto verbringen und für den Winter in die Algarve segeln werden, und auch von Anja und der zweiten Luisa, für die es am Mittwoch wieder nach Deutschland geht, sowie den neuen Freunden aus Porto mussten wir uns verabschieden. Für Besuche in Portugal empfehlen wir auf jeden Fall Pastels de Nata, kleine Vanilletörtchen, die uns jeden Morgen einen perfekten Start in den Tag bereiteten.

 

Nun geht es zu sechst weiter Richtung Lissabon. Wo wir auf dieser Etappe halt machen werden, wird wieder einmal der Wind für uns entscheiden. Dieser ist bis tief in die Nacht mit ca. 15 Knoten von Achtern für eine weitere Schmetterlingsfahrt hervorragend vorhergesagt. Wir sind auf jeden Fall bestens vorbereitet für lange Tage und Nächte auf dem Atlantik und die ganze Crew ist nach dem langen Landgang in Porto top motiviert mal wieder zu segeln!

 

Als nächstes werden wir aus Lissabon berichten! Ahoi von der neuen Besatzung der RD32Sport Highspeedcraft Racing Vessel

 

André, Janschek & Niclas

2020.08.30 Teil XII Spanien/Galicien II

Nachdem wir unsere beiden Begleiter am Bus zum Flughafen verabschiedet hatten, sollten eigentlich ein paar ruhigere Tage zu zweit folgen - aber Ruhe scheint weder etwas für die Running Deer noch für ihre Besatzung zu sein! Kurzerhand buchten wir eine Jetskitour durch die Buchten vor A Coruña. Bei ordentlich Seegang hatte insbesondere André seinen Spaß daran, das Wassermotorrad durch die Wellen zu jagen, während sich Niclas als Sozius versuchte. Nach einer Stunde Wasserspaß kehrten wir zum Boot zurück, wo wir noch mit unseren Stegnachbarn aus Dänemark verabredet waren. Die beiden Dänen, Vater und Tochter, befinden sich mit ihrer Elan 43 „Artemis“ ebenfalls auf dem Weg Richtung Kap Verden und wollen von dort über den Atlantik nach Brasilien segeln. Und das Gespann hatte bereits eine Menge Erfahrung gesammelt. Die junge Dänin hatte ihre erste Transatlantik mit nicht einmal zwei Jahren erlebt und ihr Vater war die letzten 15 Jahre in der Karibik segeln und konnte den Atlantik in beide Richtungen mehrfach überqueren. So entwickelte sich ein reger Erfahrungsaustausch über den Niclas sogar das Championsleague-Finale verpasste. Da es uns in die gleiche Richtung zog und der Wind günstig stand verabredeten wir uns für den nächsten Tag in einer Bucht bei Camariñas.

 

Es erwartete uns ein entspannter 30 Meilen Trip - allerdings blieb der vorhergesagte Wind aus und so mussten wir die meiste Zeit der Strecke motoren, was uns so gar nicht schmeckte. Gegen Abend erreichten wir die gut geschützte Bucht und schmissen den Anker ins tiefblaue Wasser. Am nächsten Tag staunte Niclas nicht schlecht als er beim morgendlichen Sportprogramm mit einem herzlichen „Moin Moin“ von einem kleinen Schlauchboot aus begrüßt wurde. Neben uns in der Bucht lag ein weiteres deutsches Boot, besetzt mit einem jungen Paar, das den Winter in der warmen Algarve dem frostigen Deutschland vorziehen möchte. Die beiden Rostocker, Matthias und Luisa, waren mit ihrer „Cisco“ in etwa zeitgleich mit uns in Deutschland gestartet und der Wind hatte sie in die gleiche Bucht verbracht wie uns. Erfreut darüber endlich weitere Boote und Gleichaltrige gefunden zu haben, die uns auf unserer Reise begleiten würden, verabredeten wir mit den Crews der Cisco und der Artemis für den Abend ein Barbecue am Strand. Den Tag verbrachten wir mit einer längeren Wanderung rund um den Ria de Camariñas. Lange hatten wir darauf gewartet, die traumhaften Landschaften Galiciens auch von Land aus erkunden zu können und nun nutzten wir den windschwachen Tag optimal aus. Der zweite Abend in der Ankerbucht war mit Fleisch vom Grill, unserer neu gefundenen geselligen Runde und einem Lagerfeuer am Sandstrand genau das, was wir uns von unserer Reise erhofft hatten! Da es den anderen beiden Crews genauso ging, wollten wir auch die nächste Tagestour zum Kap Finisterre gemeinsam bestreiten und über den UKW-Kanal 69 in Kontakt bleiben.

 

Am nächsten Morgen erwiesen sich unsere deutschen Weggefährten als echte Frühaufsteher und waren uns bereits eine Stunde voraus, als wir erwachten. So erhielten wir noch in der Bucht den ersten Echtzeitwetterbericht von hoher See über den vereinbarten Funkkanal. Zusammen mit der Artemis brachen wir in den dichten Nebel vor der Küste Galiciens auf. Die Wetterverhältnisse boten eine gute Gelegenheit unser Radargerät einer Belastungsprobe zu unterziehen, die es mit Bravur bestand. Durch den dichten Nebel zu segeln hatte seine ganz eigene Magie. Wie von einer Käseglocke umhüllt mussten wir ständig wachsam sein und fühlten uns als wären wir in einer ganz eigenen Welt, in die nur hin und wieder die Artemis aus dem weißen Nichts hervorgestoßen kam. Auf seine eigene Art und Weise weckte der Nebel in uns erneut den Reiß nach dem Ungewissen, die Lust auf Neues und die Spannung auf die nächsten Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Monate! Und nichts passte besser zu diesem Gefühl als unser nächstes Ziel: Das unter Seeleuten als Meilenstein bewundertere Kap Finisterre. Nach nicht einmal sieben Wochen sollten wir den Ort erreichen, der lange Zeit als Ende der Welt galt. Ein Ort, der wie kaum ein anderer für Entdeckungsgeist und Fernweh steht. Und wie auch die großen Pioniere der Seefahrt nicht glauben wollten, dass hier bereits das Ende sein soll, sind auch wir überzeugt davon, dass unsere Reise gerade erst anfängt!

 

Am frühen Abend sahen wir die ersten Felsen des sagenumwobenen Kaps aus dem Nebel hervorstechen. André konnte es kaum erwarten, seinem Opa Bilder von den wenigen sichtbaren Teilen des Kaps zu schicken. Als wir am Kap vorbei in die Bucht vor Finisterre einliefen, lichtete sich der Nebel und uns bot sich erneut ein einzigartiger Anblick. Aus einem dünnen Nebelschleier ragten zu unserer Rechten majestätisch die Berggipfel Galiciens hervor, während zu unserer Linken strahlender Sonnenschein die ganze Bucht in einen rotgelben Glanz hüllte und die wunderschöne Landschaft in das Rampenlicht stellte, das ihr zweifelsohne gebührt. In der Bucht wartete bereits die Cisco auf uns und wir hatten noch genügend Zeit, um den Abend bestmöglich zu nutzen. So entschied sich Niclas befeuert vom traumhaften Anblick der Bucht kurzerhand, die knapp 13 Kilometer zum Kap und zurück im Laufschritt zurückzulegen und André testete das neue Taucherequipment an der felsigen Küste. Den Abend verbrachten wir an Bord der Cisco bei unseren neuen Freunden mit vielen weiteren interessanten Gesprächen. Für den nächsten Tag war erneut schlechter Wind und Regen vorhergesagt, sodass es uns am sinnvollsten erschien, einen weiteren Tag in Finisterre zu verbringen. Angefixt von Niclas Erzählungen über das Kap, wollten nun auch André, Matthias und Luisa den Aufstieg wagen. Kaum mit dem Dinghy in der Stadt angekommen, trafen wir zwei alte Bekannte, die wir am Strand von Gijon kennengelernt hatten, Bruno und Gustavo. Die Beiden waren gerade erst nach Finisterre gezogen, um hier ihr Geschäft aufzubauen und hatten das Kap auch noch nicht in Augenschein nehmen können. So brachen wir zu sechst zu einem weiteren Wandertag auf. Auf dem Kap angekommen herrschte zwar immer noch dichter Nebel, der allerdings immer wieder auflockerte und den wunderbaren Ausblick, den er verhüllte, erahnen ließ. So hatten sich die Römer also das Ende der Welt vorgestellt! Auch der Abstieg durch die dichten Bergwälder und der Ausblick landeinwärts sowie auf die Buchten Fisterra‘s wussten uns zu begeistern! Wir ließen den langen Tag mit unseren vier Begleitern an Bord ausklingen und gingen erschöpft zu Bett.

 

Am nächsten Morgen hieß es wieder einmal Abschied nehmen - zumindest vorläufig blieben unsere dänischen Freunde in Fisterra zurück und wir brachen zusammen mit der Cisco nach Vigo auf. Der Wind war gut und wir hatten einen traumhaften Segeltag an dem wir in knapp 10 Stunden die über 50 Meilen zu unserem letzten Ziel in Spanien ganz entspannt zurücklegen konnten. Am Abend in Vigo angekommen, verbrachten wir einen weiteren Grillabend mit Matthias und Luisa in einer zauberhaften Bucht samt Lagerfeuer und Schaukelstuhl am Strand. Den nächsten Tag setzten wir die letzten 4 Meilen zur Marina über und erkundeten die Stadt. Erneut versetzten uns die Spanier mit ihrer Lebensart ins Staunen! Die Altstadt Vigos besteht fast ausschließlich aus gelbbraunen Sandsteinäusern, die sich einen Steilhang bis zu einem alten Fort hoch über der Stadt ausdehnen. Zwischen den scheinbar planlos aneinander gesetzten Häusern erstreckt sich ein wahres Labyrinth von engen Gassen, alten Toren und großen Plätzen auf denen sich unzählige Menschen in den vielen Bars und Restaurants tummelten. Ein gesellschaftliches Leben, wie wir es in Deutschland noch nicht erleben konnten! Trotz Corona-Hochzeit strahlte die große Hafenstadt im Nordwesten Spaniens eine einzigartige Lebensfreude und Wärme aus. Daher hielten uns auch die niedrigen Temperaturen nach Sonnenuntergang und der Abfahrtstermin am nächsten Morgen um 6 Uhr nicht davon ab, den Abend mit Erkundung der lokalen Bars zu verbringen. Und wieder gab es eine Premiere: Unser erster spanischer Sangria wusste mit seinem süßlich, fruchtigen Geschmack in jeder Hinsicht zu überzeugen. So endet unsere - leider sehr kurze - Zeit in Spanien mit einer schönen Erinnerung und der Gewissheit auch an diesen Ort zurückkehren zu wollen.

 

Am nächsten Morgen schellte in aller Frühe der Wecker. Wir hissen eilig die Segel und setzten Kurs auf Porto. Bei 4-5 Windstärken nach der Beaufortskala aus Nord steht uns ein weiterer traumhafter Segeltag bevor. In Porto müssen wir dann endlich die ob der neuen Freundschaften lange aufgeschobene Reparatur am Netz nachholen und auch den Backbordmotor, dessen Seewasserkühlung streikt, genauer inspizieren. Nach zwei Wochen Erholung steht uns also eine weitere Werftzeit bei hitzigen 30 Grad bevor. In der Hoffnung, die langen Hosen nun endlich in die tiefen Bilgen unserer Running Deer verbannen zu können, senden wir ein fröhliches Ahoi nach Deutschland und freuen uns, dass ihr unsere Reise verfolgt!

 

André & Niclas

2020.08.27 Teil XI Spanien/Galicien I

Nach Bezwingung der Biskaya war es an der Zeit das nordspanische Gijon zu erkunden und auch mal einen entspannten Strandtag einzulegen. Mit 32 Grad war das Wetter dafür bestens vorhergesagt. Gijon begeisterte uns sofort mit seinen kleinen Gassen und altertümlichen Steinhäusern zwischen denen eine Vielzahl von Bars und Restaurants eine gesellige Atmosphäre entfalteten. Wir fühlten uns an das traumhafte Stadtbild und bunte Treiben in Saint-Malo erinnert. Dies war trotz des guten Rufs, den die Spanier in dieser Hinsicht genießen, keineswegs zu erwarten, denn während unserer Abgeschiedenheit auf der Biskaya wurde das Sonnenparadies im Südwesten Europas erneut zum Risikogebiet erklärt und es galten wieder strenge Restriktionen für das öffentliche Leben. So mussten wir uns zunächst sehr daran gewöhnen, dass an jedem Ort, auch im Freien, eine Maske getragen werden musste. Und man merkte den Einheimischen die Angst vor einem erneuten Lockdown auch an, denn wann immer wir die Maske nur kurz vergaßen, wurden wir schnell durch mahnende Blicke und Worte an die neuartigen Pflichten erinnert. Dennoch ließen sich die Spanier ihre Freude am Leben nicht nehmen und so waren die Restaurants und Bars zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit gut gefüllt und verbreiteten einen einzigartig weltoffenen und geselligen Charme!

 

Wir genossen spanischen Schinken von dem André am liebsten eine ganze Keule an den Geräteträger unseres Schiffes hängen würde und lernten eine Spanierin kennen, die uns in einer Bar Cidre, einen spanischen Apfelwein, und die besondere Art diesen zu servieren näher brachte. Das schaumige Getränk muss aus großer Höhe von der Flasche ins Glas hinabgegossen werden, damit es seinen Geschmack voll entfalten kann. Ein Balanceakt bei dem ein ordentlicher Schankverlust nicht zu vermeiden ist. Aber dass ein guter Teil des süßlichen Weins den Boden zwischen den Tischen tränkt, sei völlig üblich erklärte man uns und so versuchten auch wir uns mehr oder weniger erfolgreich an der spanischen Art des Weintrinkens.

 

Als wir Gijon in der Nacht verlassen wollten kam plötzlich starker Wind auf und wir beschlossen lieber noch bis zum Morgen zu warten und unseren Weg Richtung A Coruña erst in der Morgendämmerung fortzusetzen. Was für das Leben im Allgemeinen gilt, gilt für das Segeln oft umso mehr: Jede Situation kann sich schnell und unerwartet verändern, aber man muss sich darauf einstellen und mit den neuen Umständen umzugehen lernen. Eine Weisheit, die uns der Wind innerhalb der nächsten beiden Tage unmissverständlich vermitteln sollte. Als wir nach einem weiteren Großeinkauf und Füllung der Wasser- und Benzintanks in Gijon aufbrachen, hatten wir bei sonnigem Wetter zunächst nur wenig Wind von vorne. Dieser frischte jedoch immer wieder auf, sodass sich keine Konstanz entwickelte und wir die Segel immer wieder reffen und ausrollen mussten. Aber trotz der ungünstigen Windrichtung erwartete uns ein weiteres Highlight unserer Tour: die Ankel schlug erneut aus und beim Einholen der Beute staunten wir nicht schlecht: ein waschechter - wenn auch kleiner - Hai hatte angebissen! Keiner von uns hätte sich vorstellen können, einen Hai zu fangen. Allerdings war es keine Option den gefährlichen Raubfisch auf ein Bier an Bord einzuladen und so schnitten wir ihn wieder los. Und nicht nur der große Fang, sondern auch die traumhafte Küste Galiciens entschädigte für den schlechten Wind. Direkt aus dem Meer ragten gigantische Berggipfel, die scheinbar unberührt von jedem menschlichen Einfluss vor uns lagen und einen wirklich eindrucksvollen Ausblick boten. Hier werden wir auf jeden Fall noch einmal mit etwas mehr Zeit vorbeikommen, um die wunderschöne Landschaft auch zu Fuß erkunden zu können.

 

Als der Wind gegen Abend ruhiger wurde, beschlossen wir die große Genua 1 gesetzt zu lassen und nicht für die Nacht sicherheitshalber zur kleineren Genua 3 zur wechseln. Eine Entscheidung, die wir nur weniger Stunden später bitter bereuen sollten. Mit der Dunkelheit nahm auch der Wind immer weiter zu, sodass wir uns gegen bis zu 35 Knoten Wind und Welle durch die Nacht kämpfen mussten. Unser Boot schlug immer wieder in die mächtige Atlantikwelle ein und warf Crew und Inventar hin- und her. An einem Segelwechsel war bei diesen Verhältnissen nicht mehr zu denken und der nächste sichere Hafen war noch einige Meilen entfernt. Nach einer schlaflosen Nacht erreichten wir am Morgen einen Ankerplatz in Cervo, wo wir eine Pause einlegten, um wieder zu Kräften zu kommen. Dabei entdeckten wir, welche gewaltigen Kräfte auf unser Schiff eingewirkt hatten: Die Aluschiene vorne am Netz war vollständig aus den Schrauben gerissen worden. Ein weiterer großer Punkt für die Reparaturliste!

 

Nach einem Mittagsschlaf setzten wir mit dem Dinghy zur Stadt über und genossen den Tag an Land. Abends ging es noch zum Fußball gucken in eine Bar: Natürlich waren wir im UEFA-Pokalfinale für das spanische Sevilla, das ein spannendes Spiel gegen Inter Mailand knapp aber verdient für sich entscheiden konnte. Am nächsten Tag brachen wir in aller Frühe zusammen mit der Sonne gen Westen auf. Erneut hatten wir Wind von vorne, aber dieses Mal deutlich weniger, sodass wir entspannter segeln konnten und gegen Mittag drehte der Wind auf Nordost. Nach langer Zeit konnten sowohl die Vorschiff-Lounge als auch der Parasailor endlich wieder ihrem Zweck entsprechend eingesetzt werden . Auf den letzten Meilen schlief der Wind dagegen völlig ein und nachdem wir keinen guten Ankerplatz entdecken konnten, mussten wir die letzten Meilen bis A Coruña unter Maschine bewältigen. Leider kein wirklich würdiger Abschluss für Jan‘s und Rene‘s Segelurlaub, aber auch das gehört dazu. Um Mitternacht liefen wir im Hafen von A Coruña ein und gingen nach einem Anlegerbier zu Bett.

 

Am folgenden Tag schlenderten wir durch die Stadt, aßen eine spanische Paella und verabschiedeten unsere beiden Weggefährten, die am Nachmittag mit dem Flieger zurück nach Deutschland aufbrachen. Auch A Coruña war geprägt von einer Mischung aus alten Steinbauten,  schmalen Gassen gefüllt mit Leben, großen Kirchen und Wohnbauten aus den 60-80er Jahren. Zudem scheint die Stadt eine besondere Liebe für Comics zu haben: wir entdeckten Spider-Man an einer Säule über den Dächern der Stadt sowie Asterix und Obelix als Wächter vor dem Rathaus. Nun nur noch zu zweit unternahmen wir noch eine rasante Jetskifahrt, die insbesondere André viel Freude bereitete und ließen den Abend bei unseren Stegnachbarn, einem Dänen und seiner Tochter, die ebenfalls Richtung Karibik unterwegs sind, ausklingen. Ein reger Erfahrungsaustausch und die neuen Freundschaften waren ein perfekter Abschluss für unsere Zeit in A Coruña!

 

Die nächsten Tage wird es weiter Richtung Vigo gehen, wo wir dringend das Netz reparieren müssen und dann werden wir hoffentlich wieder fully equipped Anfang September Janscheck, Fynn, Niklas und Fabsi in Porto aufnehmen können von wo aus es mit der bisher stärksten Besatzung nach Lissabon gehen wird.

 

Bis dahin genießen wir ein paar ruhigere Tage zu zweit mit unserer Running Deer

 

André & Niclas

 

2020.08.27 Teil X Frankreich/Biskaya

Bereits kurz nach unserer Abreise aus Frankreich zogen tief schwarze Wolken vor uns auf und in einiger Entfernung zerrissen Blitze und Donner den pechschwarzen Himmel. Wir hofften, hinter den Gewitterwolken vorbeifahren und den Wind auf der Rückseite nutzen zu können. Doch entwickelte sich die Zugrichtung der Wolken anders als wir es erwartet hatten und plötzlich befanden wir uns mitten in einem gewaltigen Hitzegewitter. Die Wärme, die wir die vergangenen Tage noch so sehr genossen hatten, präsentierte uns nun die Quittung für das sonnige Leben auf dem Archipel de Glenan. Nur wenige hundert Meter neben uns schlugen Blitze in die zaudernde See und wir versuchten unser Schiff im Starkregen so gut es ging aus der Naturgewalt heraus zu navigieren. In diesem Moment der Machtlosigkeit bewies André große Ruhe und ermutigte damit auch den Rest der sichtlich verängstigten Crew. Uns war zu jederzeit bewusst, dass auf unserer Reise derartige Situationen aufkommen können und doch führte die Natur uns nun eindrucksvoll unsere eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen. Auch wurde uns bewusst, dass wir noch einiges an unserer Wetterplanung zu verbessern haben, obwohl dieses plötzlich auftretende Hitzegewitter wohl nur schwer vorherzusehen war. Nach etwa zwei Stunden konnten wir mit Glück und einigem Geschick das Unwetter hinter uns lassen und den anhaltenden Wind nutzen, um tief in die berüchtigte Biskaya vorzudringen. Vom schwach vorhergesagten Wind war zu Beginn der Überfahrt nicht viel zu bemerken. So unschön das Gewitter auch war, es brachte uns zumindest den sehnlich erhofften und dringend benötigten Wind.

 

Dieser sollte allerdings nicht lange anhalten und bereits in der ersten Nacht kam Flaute auf, die uns einige Stunden zwang, die Segel einzuholen und unter Maschine weiterzufahren. Die Biskaya wurde ihrem unberechenbaren Ruf voll gerecht und so nahm der Wind immer wieder zu und ab und drehte in alle Richtungen. Während der 3-tägigen Überfahrt kamen wir so auf Windstärken zwischen 3 und 30 Knoten, die aus allen Himmelsrichtungen kamen und ein ständig aktives Segeln erforderlich machten. Dabei drehte der Wind nach etwa anderthalb Tagen konstant in unsere Fahrtrichtung Südwest und zwang uns letztlich dazu, das ursprüngliche angepeilte Ziel A Coruna aufzugeben und das etwa 120 Seemeilen weiter östlich gelegene Gijon anzusteuern. Zudem führte der Amwindkurs dazu, dass sich jedes Mal, wenn der Wind wieder zunahm eine kurze steile Welle aufbaute, die unserem Schiff so gar nicht gefiel. Unsere Reise wechselte daher zwischen Flauten und donnernden Schlägen in die zerhackte See. Eine absolute Belastungsprobe für Schiff und Besatzung, die aber dank einem englischen Wachsystem mit zwei Mann als Wachgängern und Schichtwechseln alle 3 Stunden in der Nacht und alle 4 Stunden am Tag gut bewältigt werden konnte.

 

Am zweiten Tag nach ca. 80 zurückgelegten Meilen fingen wir unseren ersten Fisch auf dieser Reise. Ein wahrliches Erfolgserlebnis, das das Gewitter vom Vortag schnell vergessen

ließ und die Besatzung trotz der schwierigen Wetterverhältnisse zusehends motivierte! Es stellte uns jedoch auch vor das Problem, was man mit so einem Fisch überhaupt machen sollte. Ohne Internetempfang oder sonstige Quellen gar keine so einfache Angelegenheit. Also versuchten wir einfach unser bestes und konnten bereits 30 Minuten nach unserem großen Fang ein frisch gebratenes Fischfilet genießen!

 

Der Bordalltag bestand aus einigen Segelwechsel, die aufgrund der unbeständigen Windverhältnisse erforderlich waren, Schlafen, Lesen, Kochen, Computer spielen und trocknen des immer wieder vom Regen durchnässten Ölzeugs. Eine Pause auf dem Vorschiff gönnte uns die tosende See dabei, anders als noch im Ärmelkanal, nur selten. Langeweile kam aufgrund der hohen Belastung durch das schaukelnde Schiff und die jederzeit erforderliche volle Konzentration auf den Segeltrimm und die Wetterverhältnisse jedoch nicht auf!

 

Am dritten Tag zeigte sich die Biskaya nach langer Flaute endlich versöhnlich und nachdem wir zunächst hart am Wind segeln mussten, fiel der Wind etwas raumer ein und die Wellen ließen nach, sodass wir die letzten Meilen nach Gijon bei sonnigem Wetter in die Nacht hinein zurücklegen konnten! Spanien erschien uns wohl gesonnen! Zwar wurde das Ziel, Gijon bei Tage zu erreichen verfehlt, doch waren wir nach der anstrengenden Überfahrt froh, Spanien so rasch erreicht zu haben!

 

Diese Etappe war bisher die anstrengendste unserer Reise und forderte sowohl der Psyche als auch der Physis und insbesondere unserem Schlafrhythmus große Opfer ab. Die Biskaya wurde zu unserem Bedauern ihrem Ruf gerecht und die vorhergesagte Wetterverhältnisse waren fernab der Realität auf der rauen See. Auch auf diesem Abschnitt konnten wir wieder viel über uns selber und unser Schiff lernen und Dank der tatkräftigen Unterstützung von Jan und René die erste richtige Hochseeetappe unserer noch jungen Reise erfolgreich bewältigen!

 

Die nächsten Tage werden wir die spanische Nordküste erkunden und dabei hoffentlich viel Sonne zu sehen bekommen, da sich insbesondere unsere beiden Mitsegler nach den kräftezehrenden letzten Tagen noch etwas Urlaub verdient haben, bevor sie uns am Wochenende wieder verlassen werden. Danach wird es zu zweit weiter Richtung Porto gehen, wo wir Ende des Monats erneut Janscheck begrüßen dürfen, der mit uns den Weg zu den Kanaren antreten wird.

 

Wir freuen uns auf die spannende Zeit, die uns in Spanien und Portugal erwartet!

 

Que sera!

 

André & Niclas

2020.08.27 Teil IX Frankreich/Lorient & Inselhopping

Noch während der magischen Nacht in der Baie de Douranenez entschieden wir uns, den ursprünglichen Plan wieder aufzugreifen und die Ile de Sein anzusteuern. Wir segelten gemütlich durch die sternenklare Nacht und sahen dabei zu, wie unsere Running Deer ihre Bahnen durch die spiegelglatte See zog. Am Mittag des nächsten Tages erreichten wir die Ile de Sein. Trotz der kurzen Nacht waren wir voller Tatendrang und machten uns sofort auf Erkundungstour über die kleine Insel - Niclas umrundete die steinigen und sandigen Küsten im Laufschritt und brachte es so immerhin auf 11 Kilometer, während André und unsere beiden Mitsegler, Sophie und René, es etwas entspannter angingen und eine Tanzeinlage auf einer größeren Felsformation einlegten. Abgerundet wurde die Entdeckung der Ile de Sein mit einer Kletterpartie durch und über die zerklüfteten Felsen der Insel.

 

Gegen Mittag brachen wir nach Penmarch auf, wo wir am Abend noch einmal mit unseren französischen Freunden aus Brest auf einem Campingplatz verabredet waren. Wir legten in einem sonnigen Tagestörn etwa 20 nautische Meilen zurück und die Delfine waren von nun an unsere ständigen Begleiter. In Penmarch angekommen warfen wir den Anker und verbrachten den Rest des Tages auf dem Vorschiff bevor es abends zum Campingplatz ging. Dieser Abend verlief deutlich gesitteter als unsere vorherigen Begegnungen mit den Landsleuten der Bretagne. Und bei der Verabschiedung erhielten wir ein ganz besonderes Geschenk. Stephan - ein französischer Gendarm - gab uns als Andenken an die gute Zeit ein echtes Gendarmerie TShirt! Eine wirklich schöne Erinnerung an unsere gemeinsamen Tage und Nächte in Brest, Douarnenez und Penmarch. Im Freudentaumel tanzten wir durch die Nacht zurück zu unsrem Boot und genossen am Strand noch etwas den Sternenhimmel.

 

Am nächsten Morgen verließ uns Sophie, die uns die ganzen tollen Begegnungen in Brest erst ermöglicht hatte, sodass es zu dritt weiter Richtung Lorient ging. Doch die Bedingungen waren schlecht und wir hatten kaum Wind. Daher entschieden wir uns wie immer das beste aus der Situation zu machen, schnallten uns das Wakeboard unter die Füße und surften unter Motorenantrieb am Großfall hinter unserem Schiff. Für Niclas und René, die beide noch nicht wirklich erfolgreich auf einem Wakeboard gestanden haben, war es eine sehr erfolgreiche Lehrstunde, die jedoch in Sachen Eleganz natürlich nicht an Andrés herausragende Sprünge und Tricks auf dem Board herankommen konnte. Nach diesem Wasserspaßerlebnis zeigte sich der Wind etwas versöhnlicher und wir konnten unsere Reise unter Segeln fortsetzen. Da die Bedingungen aber immer noch nicht wirklich überragend waren und wir noch bis zum nächsten Abend Zeit hatten, um Andrés Bruder Jan in Lorient einzusammeln, legten wir eine Pause vor Anker auf der Ile de Saint Nicolas einer kleinen Insel im Archipel de Glenan etwa 6 Meilen vor der französischen Küste ein. Und die Insel sollte ihrem Namenspatron und seinen beiden Begleitern jeder Menge unvergessliche Erlebnisse bescheren!

 

Nach einem Sonnenbad inklusive Cola-Rum auf dem Vorschiff wurde am frühen Abend erneut unter Rudereinsatz zur Insel übergesetzt, da der Außenborder weiterhin defekt war. Einem Barbecue am Strand folgte zunächst die Ernüchterung, dass es auf der ganzen Insel eigentlich nur eine Kneipe und ein Restaurant gab. Allerdings schaffte es André mit seiner unvergleichlich offenen Art (Als kleines Exempel sei nur folgendes Zitat angeführt: „Do you know Hornbach? Everybody knows Hornbach.“) schnell Kontakt zu den Inselbewohnern herzustellen und so freundeten wir uns noch am gleichen Abend mit den meisten Einheimischen des kleinen Archipels an. Natürlich blieb es nicht bei einem Bier und auch nicht bei zwei und die Freude über die neuen Freundschaften eskalierte ein kleines bisschen. So musste André aufs Boot getragen werden, Niclas fiel bei der Rückkehr zum Boot samt Andrés neuem Handy vom Schlauchboot ins tief schwarze Wasser und René ging trotz umfassender Suchaktion gar vollständig verloren. Am nächsten Morgen wurde Niclas von Rufen aus Richtung des Strandes geweckt und konnte nachdem er wieder in der Lage war, seine Augen zu öffnen René halbnackt am Strand entdecken. Die Bestandsaufnahme am Mittag brachte einiges an Ernüchterung. René hatte das Gendarmerie Shirt von Stephan (Spitzname „Le Maitre“ oder „Saint“ aufgrund seines einzigartigen Charmes) verloren und war bei Niedrigwasser auf eine andere Insel des Archipels gelangt, wo er oberkörperfrei am frühen Morgen erwachte und dann noch 5 Stunden warten musste bevor es auch Niclas wieder aus dem Schlaf riss. Zudem erzählten uns die Inselbewohner, dass bereits des Öfteren KO-Tropfen in der Bar verteilt wurden, was unseren heftigen Absturz erklären könnte. Der Verlust des Shirts war ein herber Rückschlag und auch Andrés Handy war nicht mehr zu retten. Nach einem kurzen Besuch in der Bar vom Vorabend bei dem wir von unseren neuen Freunden sehr gefeiert wurden, verließen wir die Insel der Sirenen, um Jan in Lorient aufzunehmen.

 

Wir erreichten Lorient nach einem sonnigen Katertag inklusive erneuter Begleitung durch unsere neugierigen Flossenfreunde in der Nacht zeitgleich mit Jan. Bereits bei der Einfahrt in Lorient konnten wir den Yachthafen „La Base“ bestaunen. Dieser beherbergt einige der größten und schnellsten Yachten der Welt und so kam insbesondere André beim „Bootegucken“ voll auf seine Kosten. Aber auch die einheimischen Segler staunten nicht schlecht, als sie erstmals in ihrem Leben das sportliche Rigg der berüchtigten Comanche 32 bewundern durften!

 

Die zwei Tage Aufenthalt in Lorient wurden vor allen Dingen genutzt, um das Schiff seeklar für die Biskaya zu machen und einige aufgeschobene Reparaturen nachzuholen. So wurde ein Großeinkauf getätigt, die Wasserkühlung des Außenborders wieder intakt gesetzt, die Befestigung der Solarpanele verstärkt, die Handgriffe neu lackiert, die weiteren zwei Wassertanks achtern gesäubert und angeschlossen, die Frischwasserfilter gewechselt und einiges mehr. Ein hervorragender Start in Jan’s Urlaub, der bisher mehr Zeit mit arbeiten als mit segeln auf der Running Deer verbracht hat. Eine Tatsache, die sich allerdings bald ändern sollte. An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön dafür und auch an Andrés Vater Didi, der uns in den letzten beiden Jahren ohne zu Zögern etliche Stunden mit seinen umfassenden Handwerkskünsten unterstützt hat! Ohne euch beiden wäre die Vorbereitung sicherlich deutlich schwieriger geworden. Neben den Arbeiten am Boot schauten wir uns La Base und einen Teil von Lorient noch einmal im Hellen an und verfolgten eifrig den Wetterbericht für die Biskaya. Letzterer war wenig erfolgversprechend, sodass wir uns entschieden erneut zur Insel der Sirenen aufzubrechen, um die Wartezeit auf ein Wetterfenster mit unseren neuen Freunden und den Inselschönheiten zu überbrücken.

 

Aber der Wind mahnte uns vor einer voreiligen Rückkehr und so fuhren wir zunächst nur bis zur Ile de Groix um eine weitere Ankerbucht zu erkunden. Auch dieses Mal lag unser altweiser Ratgeber genau richtig und bescherte uns einen traumhaften Abend mit Barbecue, Lagerfeuer und Stockbrot am schneeweißen Strand der Ile de Groix. Für Jan schien nun endlich der Urlaub zu beginnen. Am nächsten Tag herrschte Uneinigkeit über die Frage, ob wir unsere Reise in Richtung der Ile de Saint Nicolas fortsetzen oder lieber ein anderes Ziel anlaufen sollten. Jan und der Wind präferierten letztere Lösung, aber nachdem wir die Nachricht erhielten, dass unser verloren geglaubtes Gendarmerieshirt wieder aufgetaucht ist, ließen wir uns wie einst die Männer Odysseus‘ entgegen der Vernunft dazu verleiten die Insel der Sirenen gegen Wind und Welle durch einen ganzen Tag lang kreuzen in denkbar ungünstigstem Wendewinkel anzulaufen. Doch auf unser Schiff war wie immer Verlass und wir erreichten die Insel sicher am späten Abend. Im Starkregen setzten wir - nun wieder mit Außenborder - gegen 23 Uhr zur Insel über, um dort die letzten paar Gäste aus der Kneipe taumeln zu sehen und die Sperrstunde gerade zu verpassen. Aber Andrés Improvisationstalent und unsere Bluetoothbox retteten auch diese Nacht und so wurde kurzerhand in strömendem Regen am Strand getanzt und gesunken. Ein absolutes Highlight unserer Reise! Der zweite Abend auf der Insel verlief weniger Verlustreich als unser erster Versuch - niemand und nichts ging verloren, keiner fiel ins Wasser oder musste zum Boot getragen werden und es waren auch keine KO-Tropfen im Spiel - und entschädigte uns für die Strapazen des Tages in jeder Hinsicht! Außerdem konnten wir endlich das so schmerzlich vermisste Gendarmerieshirt wieder in unsere Arme schließen.

 

Doch die Insel der Sirenen hätte nicht diesen Kosenamen von uns erhalten, wenn ihr Bann, aber vor allem auch der schlechte Wind für eine Biskayaüberquerung, uns dort festgehalten hätten. Wir verblieben also zwei weitere Tage ohne wirklichen Plan auf der Insel, erkundeten auch das restliche Archipel und feierten erneut in der Bar und am Strand. So waren wir schnell sehr bekannt auf der Insel und kannten mittags und abends in der Bar nahezu alle anderen Gäste. Auch das gute Englisch der Inselbewohner ermöglichte ein erstes richtiges Kennenlernen mit gleichaltrigen Franzosen. Am Samstagmittag den 15.06. wurde uns jedoch bewusst, dass wir trotz der vielen schönen Erfahrungen nicht auf der Insel versacken durften und den Bann der Sirenen brechen mussten. Und so entschieden wir uns mit viel Wehmut unser Abenteuer trotz schwach vorgesagtem Südwestwind über die berüchtigte Biskaya in Richtung Spanien fortzusetzen. Ein Aufbruch ins absolute Ungewisse, der anzutreten jedoch unerlässlich war, denn seit Beginn unserer Reise gab es nur eine richtige Richtung, der wir nun endlich folgen konnten: Kurs Süd, 180 Grad. Wir machten also die Running Deer seeklar und verabschiedeten uns von Frankreich.

 

Noch lange nach dem Ablegen konnten wir die Inseln des Archipels am Horizont sehen und ein leichter Regen plätscherte auf uns herab, als wäre der Himmel über Frankreich traurig ob unserer Abreise. Doch zeigte sich bei Beginn der Biskayaüberquerung rasch wie schnell Trauer in Wut umschlagen kann und unser Hochmut der letzten Tage sollte uns eine Lektion erteilen!

 

Von diesem Erlebnis und der weiteren Biskayaüberquerung werden wir hoffentlich in einigen Tagen aus Spanien berichten. Bis dahin legen uns die Weiten des Atlantiks zunächst Funkstille auf. Keiner von uns kann sich daran erinnern, wann er das letzte mal mehrere Tage ohne jeglichen Kontakt zum Rest der Welt war - eine weitere Erfahrung um die diese Reise unser Leben bereichern wird.

 

Bis dahin senden wir Grüße in die mittlerweile bereits sehr entfernte Heimat

 

André & Niclas

2020.08.07 Teil VIII Frankreich/Brest & Buchten

Unsere Fahrt von Saint-Malo nach Brest mit Zwischenstopp in einer kleinen Ankerbucht in Portsall verlief bei schwachem Wind aus wechselnden Richtungen und jede Menge Sonnenschein sehr ruhig. Für Aufregung sorgte lediglich die Einfahrt in Portsall, die wir am späten Abend bei Niedrigwasser antreten mussten. Die spitzen Felsen, die nur weniger Meter neben uns imposant aus dem Wasser ragten wiesen uns nachdrücklich darauf hin, was ein einziger Fehler in diesen Gewässern bedeuten kann. Aber unser Echolot, das die letzten Tage öfter Aussetzer hatte, war zur rechten Zeit zur Stelle und so konnten wir mit einem verbleibenden Meter Wasser unter dem Kiel einen traumhaft schönen Ankerplatz im kleinen Portsall finden. Von einem der größten Ölunfälle aller Zeiten, der Portsall gegen Ende der 70er-Jahre schwer getroffen hatte, war in dem beschaulichen Örtchen und im Watt davor nichts mehr zu sehen.

 

Nach einer entspannten Nacht vor Anker und einem kleinen Einkauf in Portsall ging es gegen Mittag weiter in Richtung Brest. Dort wartete unser neues Crewmitglied am Abend bereits mit einem französischen Essen vom aller feinsten. Wir schlemmten reichlich, entdeckten das örtliche Starkbier für uns und feierten auf dem Boot unsere neue Zusammensetzung. Am nächsten Morgen schafften wir es erst spät aus dem Bett, was einer legendären Shoppingtour in den diversen Secondhandläden in Brest nicht entgegenstand. In denselben deckten wir uns mit Hawaihemden ein, die uns in der Karibik sicher noch viele gute Dienste leisten werden! Am Abend waren wir zu einer Party bei einer Bekannten unserer Mitseglerin eingeladen. Perfekt gekleidet - Hawaihemden & Bermudashorts - konnten wir uns trotz einiger Sprachprobleme, die nach einer Flasche Cola-Rum überwunden waren, schnell integrieren. Seit langer Zeit hatten wir mal wieder eine richtig durchzechte Partynacht, die standesgemäß mit einem 5 Kilometer Fußmarsch im Lichte der aufgehenden Sonne zum Boot abgeschlossen wurde.

 

Nachdem wir die letzten Wochen ordentlich Meilen auf dem Wasser abgerissen hatten, entschieden wir nun mal wirklich etwas Urlaub zu machen und ein paar Tage länger in der zauberhaften Bretagne zu verweilen. Diese brachte derweil bereits alles mit, was wir uns von unserer Reise erhofft hatten! Mediterranes Ambiente, das Wetter der Südsee und der raue Nordsee/Atlantikwind sind eine Kombination die vergeblich ihres gleichen sucht. Auch wenn wir beim Angeln, trotz Aufrüstung des Equipments, weiter erfolglos blieben, konnten wir unseren ersten Delfin auf dieser Reise sehen. Ein wirklich majestätischer Anblick!

 

Wir entschlossen uns also die nächsten Tage ein paar Buchten in der Nähe von Brest anzulaufen und wenn der Wind es zuließ vielleicht sogar bis Lorient, der Heimat der absoluten Elite der Rennyachten in Europa, zu segeln. Dabei hatten wir wie so oft tausend Möglichkeiten und keine Chance eine falsche Entscheidung zu treffen. Dieses entspannte Gefühl gepaart mit einem Cola-Rum führte uns in eine kleine Bucht direkt bei Brest. Wir landeten mit unserem Schlauchboot an einem abgelegenen Strand und erforschten die dicht bewachsenen und mit Bunkern übersähten Klippen. Und das Leben bot uns wieder seine besten Facetten! Brombeeren am Wegesrand, eine Klettertour mit Seil zu einem versteckten Bunker und eine Apfelschlacht versüßten uns den Tag. Doch hatten wir bei all unserem Entdeckungsdrang der immer weiter zunehmende Brandung zu wenig Beachtung geschenkt. So mussten wir das Schlauchboot über spiegelglatte Steine ins Meer tragen und wurden dabei mehrfach von den tosenden Wellen, die sich ihren Strand von uns zurückholen wollten, zurückgeworfen. Zur Rettung des technischen Equipments blieb Niclas am Strand zurück und trat barfuß einen langen Fußweg durch die Wälder der Bretagne an, um am Sandstrand in der geschützter gelegenen Bucht wieder eingesammelt werden zu können. Aber sowohl Besatzung als auch Ausrüstung überstanden das Abenteuer mit kleineren Blessuren. Lediglich der Außenborder unseres Schlauchbootes läuft seit dem Manöver nicht mehr rund, ein weiter Punkt also für die Reparaturliste, dem André allerdings zuversichtlich gegenübersteht.

 

Zurück am Boot gab es das wohl bislang dekadenteste Essen der Tour - Grünkohl mit Bratkartoffeln! Am nächsten Tag ging es weiter zur nächsten Ankerbucht bei Morgat, ein Geheimtipp von unsern neuen französischen Freunden, die uns dort auch besuchen wollten. Bei dieser Fahrt bewies sich unsere Running Deer mal wieder als echte Rennziege und wir liefen bei voller Beseglung teilweise deutlich über 10 Knoten durch das spiegelglatte Wasser. Und auch die Bucht bei Morgat bot uns wieder einen traumhaften Ausblick und wir konnten uns für die überragende Hausparty vom vergangenen Samstag revanchieren. Nach Verabschiedung unserer beiden französischen Übernachtungsgäste brachen wir bei top Wind zu einem Segeltörn zur anderen Seite der Baie de Douranenez zum Namenpatron der Bucht, der kleinen Hafenstadt Douranenez auf.

 

Dort angekommen legten wir uns an eine Murringtonne und ruderten mit reiner Muskelkraft zur nebenliegenden Insel deren flachauslaufende Klippen uns perfekt zum ersten Grillabend auf dieser Reise erschienen! Unsere Vermutung bestätigte sich und wir verbrachten einen gemütlichen Abend direkt vor Douranenez. Am nachfolgenden Tag - wir vermuteten es sei ein Donnerstags, aber so genau wusste das keine mehr - fuhren wir in den Hafen von Douranenez, um nochmal einzukaufen und das kleine Örtchen zu erkunden. Auch hier gab es wieder etliches zu sehen und wir genossen die Zeit an Land mit französischem Starkbier. Gegen Mittag kamen uns erneut die Franzosen zum Grillen besuchen und wir verbrachten den Tag am Strand bevor es gegen Abend weiter Richtung Ile de Sein ging. Allerdings schlief der Wind ein und als André einen Schwarm von Möwen über der Bucht entdeckte, sah er die sichere Gelegenheit endlich einen Fisch zu fangen. Zwar blieben unsere Haken erneut unberührt, doch brachte uns dieser Abstecher einen der bislang magischsten Momente unserer Reise. Etliche Vögel und ein Schwarm Delfine hatten einen Fischschwarm entdeckt und kreisten nun von allen Seiten um unser Boot herum. Ein Naturerlebnis, das mit Worten zu beschreiben schlicht nicht möglich ist!

 

Aufgeregt von diesem ereignisreichen Tag entschieden wir uns einfach noch etwas in der windstillen Bucht treiben zu lassen und die Ile de Seine erst am nächsten Tag anzulaufen. Wir ließen uns noch bis in die Nacht durch die Bucht treiben und versuchten unser Glück zu fassen, Traum und Realität zu trennen und diesen wunderbaren Tag bis zur letzten Sekunde zu genießen.

 

In den nächsten Tagen werden wir weiter in Richtung Lorient segeln und am Montag nach Brest zurückkehren um uns für die Überquerung der berüchtigten Biskaya mit Andrés Bruder zu verstärken und noch einige kleine Reparaturen vorzunehmen.

 

Bis dahin hoffen wir, dass auch ihr zu Hause das wunderbare im Alltag entdecken könnt!

 

André und Niclas

2020.08.01 Teil VII Frankreich/Saint Malo

Nach dem ersten Tag in der Ankerbucht bei Cherbourg wollten wir eigentlich weiter in Richtung Brest segeln. Aber der Wind hatte wieder einmal andere Pläne für uns. Vorausgesagte 30-40 Knoten Wind gegen 6 Knoten Strom ließen eine sichere Ausfahrt aus unserem kleinen Paradies nicht möglich erscheinen. So verbrachten wir einen weiteren Tag vor Anker im kleinsten Hafen Frankreichs, Port Racine, und nutzten das schlechte Regenwetter, um einige Reparaturen wie insbesondere die Montage eines neuen Kompasses vorzunehmen. Abends klarte der Himmel auf und es ging auf eine weitere Entdeckungstour aufs Festland. Und auch diese bot wieder allerlei traumhafte Ausblicke von den felsigen Klippen der Normandie auf die Weiten von Meer und Land.

 

Am nächsten Tag war der Wind etwas schwächer vorhergesagt und wir wagten uns in aller Frühe aus dem schützenden Windschatten der Ankerbucht raus auf die hohe See, um die Strömungen für uns zu nutzen. Dabei unterschätzten wir jedoch bei Westwind den Kapeffekt am Cap de la Hague und gerieten nun doch in den Hexenkessel, den wir am Vortag noch erfolgreich gemieden hatten. So brach eine 3 Meter hohe und nur sehr kurze Welle immer wieder über uns herab und sorgte dafür, dass sich in der Küche nichts mehr an seinem Platz halten konnte. Aber es wäre ja einfach, wenn es bei der Küche geblieben wäre. Während die Wellen unsere gute Running Deer hin und her warfen, löste sich die Schraube vom Ruder - der denkbar ungünstigste Zeitpunkt um manövrierunfähig zu werden! Doch mit viel Fingerspitzengefühl und der nötigen Kraft konnte die Verkleidung des Steuerrads gelöst und die Schraube wieder festgezogen werden. Nach etwa einer Stunde konnten wir das Kap passieren und die See war uns nun wieder deutlich wohlgesonnener. Strom und Wind brachten uns im Rekordtempo die verbleibenden 65 Meilen bis Saint Malo. Dabei ließen wir die englischen Kanalinseln, in denen uns die Einreise leider coronabedingt verwehrt blieb, an Steuerbord liegen und konnten zumindest von See aus die Schönheit Jerseys erahnen. Diese in ihrer ganzen Pracht zu erleben, wird allerdings unserer Heimreise im nächsten Jahr vorbehalten bleiben!

 

In Saint Malo am späten Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein angekommen hängten wir rasch unsere noch vom Morgen durchnässten Kleider zum Trocknen auf, bevor wir uns an die Erkundung der Stadt machten. Und wieder einmal eröffnete sich für uns eine Welt voller Wunder. Saint Malo, eine Stadt mit langer Geschichte, die im zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört, aber originalgetreu wiedererrichtet wurde, war geprägt von mittelalterlichen Stadtmauern und traumhaften Steinhäusern zwischen denen sich enge Gassen und jede Menge Bars und Restaurants erstreckten. Über den Dächern der Stadt konnte man die unzähligen Buchten und Felsen, die Saint Malo zum größten Schiffsfriedhof des Ärmelkanals machen, bewundern. Und alles war belebt, die Menschen flanierten durch die Straßen, schlemmten in den Restaurants und lachten in den Bars. Ein das Herz wahrlich erquickender Anblick!

 

Wir durchstreiften die Straßen der Stadt noch bis in die Nacht, bevor wir nach dem langen Tag, an dem wir es vom kleinsten Hafen Frankreichs durch den Sturm bis zum größten Schiffsfriedhof des Ärmelkanals geschafft hatten, erschöpft, aber begeistert von den Eindrücken der letzten Stunden in unsere Kojen fielen. Am nächsten Morgen wurden wir wieder von der Sonne geweckt. Zunächst hieß es die letzten Anzeichen des Sturmes vom Vortag zu beseitigen, bevor wir uns um die Wäsche und den Einkauf kümmerten und eine Freundin aus Wilhelmshaven, die uns die nächsten Tage begleiten wird und sich in der Bretagne bestens auskennt, trafen.

 

Bei der Planung für die nächsten Tage waren wir uns einig, dass wir noch mehr von Saint Malo sehen wollten. Nach einem kurzen Blick auf den Wetterbericht wurde aber schnell klar, dass der Wind uns lieber auf dem Wasser haben wollte. Und da es uns bis hierhin gebracht und sich bisher noch keinen Irrtum erlaubt hatte, hörten wir auch dieses Mal wieder auf das Rauschen in unseren Ohren und brachen in Richtung Brest auf.

 

Dort werden wir hoffentlich bis Freitag ankommen und dann von einem weiteren Mitsegler verstärkt werden, um sodann mal etwas länger an ein paar Orten zu verweilen, bevor wir bei einem passenden Wetterfenster die Biskaya in Angriff nehmen werden!

 

Tipp für Besuche in Saint Malo: Probiert die lokale Spezialität Moules Frites!

2020.07.26 Teil VI Cherbourg/Frankreich

Mit gestärktem Selbstvertrauen, Funkzeugnis und aufgefüllten Bilgen sind wir am Dienstag in Middelburg mit Kurs auf Frankreich aufgebrochen. Plan war es dabei so viele Meilen wie möglich zu machen und dadurch einen guten Zeitpuffer für windarme Tage aufbauen zu können. Und unser Unterfangen war ein voller Erfolg!

 

Der Ärmelkanal verlangte uns zunächst großen Respekt ab, da er als eine der dichtest befahrenen Schifffahrtsrouten der Welt gilt und die Durchquerung auf einem kleinen Segelboot daher navigatorisch wie seglerisch höchst anspruchsvoll ist. Ein erster richtiger Test für Boot und Besatzung also! Umso besser war es, dass wir uns in Amsterdam mit Janschek, einem weiteren Topsegler verstärken konnten. Einmal aufgebrochen hatten wir riesiges Glück und andere Schiffe oder Fähren waren die ersten beiden Tage und Nächte genauso selten zu erspähen wie Wolken.

 

Wir richteten uns mit Campingstühlen und Sitzpolstern eine Vorschiff-Lounge ein, die als Sonnenterasse und Ausguck für die perfekte Abrundung des Mammuttörns sorgte. Die Nächte waren vom traumhaften Sternenhimmel hell beleuchtet und verliefen ruhig. Eine willkommene Abwechslung zu den Turbulenzen vor Rotterdam. Am dritten Tag verließ uns leider das Wetterglück und der Wind schlief ein als wir gerade Kurs auf Cherbourg in der französischen Normandie gesetzt hatten. Da ein anderer Hafen nicht wirklich näher lag und die Tide uns unerbitterlich zurückdrängte, blieb uns keine Wahl als für mehrere Stunden den Motor anzuwerfen. Ein Stich in unsere Seglerherzen, der aber bald vergessen war als 30 Meilen vor Cherbourg wieder steifer Nordwind aufkam und wir die letzten Meter der 250 Meilen Tour unter Segeln bewältigen konnten.

 

In Cherbourg angekommen machten wir uns an die Erkundung der Stadt. Diese war zum Ende des zweiten Weltkrieges eine der strategisch bedeutendsten Städte an den Küsten Frankreichs und wurde nach der Landung der Alliierten in der Normandie zeitweise zum größten Hafen der Welt. Wir erklammen die alte Festung über den Dächern der Stadt und besichtigten das dort gelegene Museum sowie die intakten Bunkeranlagen. Ein wahres Gänsehauterlebnis, das unseren Blick dafür schärfte wie unermesslich wichtig und wie wenig selbstverständlich ein vereintes, friedliches Europa ist, das uns derartige Reisen überhaupt erst ermöglicht!

 

Nach dem kulturellen Teil ging es wieder zur Tagesordnung über und die Kneipenstraßen von Cherbourg wurden unsicher gemacht. Dabei wurde aufgrund des ausgiebigen Bierkonsums schnell die Bezeichnung „The Germans“ geprägt. Am Samstag verließen uns die letzten verbliebenen Mitsegler, sodass wir nun erstmals nur mit der Stammcrew an Bord waren. Wir nutzten die Zeit um ein neues Funkgerät einzubauen und auch die von Korrosion gezeichneten Außenborder neu zu lackieren. Nach einer weiteren Nacht in den unzähligen Kneipen von Cherbourg in der wir seit langer Zeit mal wieder in einer richtigen Wohnung geschlafen haben wurde uns schnell klar, das wir unsere schöne Running Deer jederzeit einer Couch in Cherbourg vorziehen und wir dringend weiterfahren müssen. Gestärkt mit einem Katerfrühstück aus Creps und Kaffee wurden die Tanks wieder aufgefüllt und die Segel mit Kurs auf die nächste Ankerbucht gesetzt. Beim tanken kamen wir mit einem französischen Marineoffizier ins Gespräch, der sehr verblüfft davon war, dass wir mit unserem Boot aus Deutschland bis nach Cherbourg gesegelt sind. Und dabei ist dies erst der Anfang unserer Reise!

 

Nach einem schönen Tagestrip mit etwa 5 Windstärken haben wir den bisher schönsten Ort unserer Reise erreicht. Eine kleine Ankerbucht bei Port Racme die Frankreich von seiner wunderbarsten Seite zeigt. Traumhafte Berghänge an der Küste und jede Menge kleine uralte Ortschaften, die einen unvergleichlichen Charme entfalten. Dabei kam es auch zu einer Premiere! Zum ersten Mal auf unserer Tour konnte sich André zur Erkundung der Umgebung zum Joggen motivieren. Aber bei der wunderbaren Landschaft wurde eine sehr stabile Pace an den Tag gelegt. Nicht nur die Running Deer konnte sich an diesem Tag den Zusatz „Sport“ verdienen!

 

Abgerundet wurde dieser vollkommene Tag mit einer Bolognese ala André im Cockpit der Running Deer bei einer Aussicht für die manche viel Geld bezahlen würden, die uns aber keinen Cent kostet! Das Leben auf dem Boot packt uns immer mehr und lässt uns keine einzige Sekunde an unseren Entscheidungen zweifeln!

 

Leider blieb dieser nahezu perfekte Tag nicht ganz ohne Opfer. So verlor André bei dem frischen Westwind seine Mütze, die ihm sein Opa für die Tour geschenkt hatte. Zum Glück wurde kurz zuvor noch ein Bild mit Mann und Mütze gemacht und solange nur das Inventar über Bord geht, sind die Verluste verkraftbar!

 

Morgen soll es dann weiter in Richtung Jersey gehen, sofern die Einreise dort ohne Restriktionen möglich ist. Wir können es kaum erwarten!

 

André und Niclas

2020.07.21 Teil V Niederlande/Middelburg

Nach einem entspannten Sonntag in Amsterdam, der genutzt wurde, um die Lager wieder aufzufüllen und das Hafenleben zu genießen, ist die Running Deer mit 5 Mann/Frau Besatzung am frühen Abend Richtung Middelburg aufgebrochen. Bei der Überfahrt, die mit 15 Knoten Wind aus Nord top Verhältnisse geboten hat, konnte die Comanche 32 ihrem selbst verliehenem Zusatz „Sport“ vollständig gerecht werden. Die Nacht auf dem Wasser verlief bis zur Ansteuerung von Rotterdam ruhig und es konnten viele Meilen im Kielwasser zurückgelegt werden. Vor Rotterdam war trotz der späten Stunde reger Verkehr, sodass nach Kommunikation mit der Revierzentrale ein zusätzlicher Schlag gemacht werden musste, bevor das Fahrwasser unter Motorenunterstützung in einem nur sehr engen Zeitfenster zwischen den querenden Ozeanriesen rasch überquert werden konnte. Doch auch dieses Mal konnte David Goliath bezwingen und das Fahrwasser sicher kreuzen.

 

Gegen Mittag konnte aufgrund des weiterhin konstanten Windes bei bestem Wetter Vliessingen erreicht werden. Nach einer langwierigen Kanalfahrt sind wir nachmittags im mittelalterlichen Hafen von Middelburg angekommen. Dort ging es direkt weiter mit dem Funkzeugniskurs und sich unmittelbar anschließender Prüfung an Bord der Running Deer. Dank guter Vorbereitung auf dem Kanal mit Bier und Cola-Rum konnte der Kurs von uns beiden, teils mit 19 von 18 erforderlichen Punkten, souverän bestanden werden. Es stellte sich jedoch im Gespräch mit dem Prüfer heraus, dass wir ein neues Funkgerät anschaffen sollten. Ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste.

 

Zur Feier des Tages ging es abends noch in die traumhaft schöne Altstadt von Middelburg, die insbesondere von altertümlichen Bauten geprägt ist. Hier hätten wir gerne noch mehr Zeit verbracht, aber der Wind zieht uns weiter Richtung Frankreich. Nichtsdestotrotz können wir für Middelburg eine absolute Reiseempfehlung geben und werden ganz gewiss auch selber nochmal dorthin zurückkehren.

 

Am Dienstagmorgen geht es nun wieder mit Funkzeugnis in der Tasche durch den Kanal zurück Richtung offene See. Dort wollen wir erstmal ein paar Tage verbringen und weiter vorankommen. Im besten Fall gibt es den nächsten Bericht nach erfolgreicher Durchquerung des Ärmelkanals und Landung an den schönen Stränden Frankreichs. Bis dahin heißt es bei anhaltendem Sonnenschein weiter braun werden - eine hervorragende Vorbereitung auf unsere kommenden Reiseziele!

 

2020.07.17 Teil IV Niederlande/Amsterdam

Die letzten beiden Tagen haben uns in all unseren Plänen stark bestätigt! Bei traumhaften Wetter und perfektem Halb- und Vorwindkurs konnten wir die 80 Meilen von Vlieland bis Amsterdam mit Fahrt durchs IJsselmeer unter besten Bedingungen richtig genießen! Zunächst ging es noch ein Stück gegen den Strom bevor auch diese letzte Komponente uns in die Karten spielte. Derart motiviert entschieden wir uns kurzerhand zu einer weiteren Nachtfahrt, sodass wir nach 24 Stunden mit Zwischenstopp vor verschiedenen Schleusen Amsterdam am Freitagmorgen endlich erreichen konnten. Auch Segeltechnisch sind wir voll auf unsere Kosten gekommen. Vom Schmetterling bis zum Parasailer und ruhigen am Wind Kurs durch die Nacht konnten wir das volle Programm abspulen und uns weiter aufeinander einspielen! Auch unsere beiden Mitsegler waren dabei eine große Hilfe. Nicht zuletzt rundete eine perfekte Bolognese von Niclas Mutter den wunderbaren Segeltag ab!

 

In Amsterdam angekommen konnten wir es trotz nur 4 Stunden Schlaf in Schichten kaum erwarten, die Stadt zu erkunden! Dabei wurde uns von einem Freund hier der Albert Cuyp Markt empfohlen, ein Straßenmarkt, der allerlei Köstlich- und Sehenswürdigkeiten zu bieten hatte! Im Anschluss gab es eine Stadtführung von einer Amsterdamer Techno DJane, die auf deren Dachterasse mitten im Kern von Amsterdam beendet wurde. Mehr geht nicht! Zudem wurde das Boot geschrubbt und die Segel getrocknet, die noch von unserer Regenfahrt vor Helgoland zeugten. Morgen geht es einen weiteren Tag auf Entdeckungstour durch die Stadt bevor wir abends mit ein paar Freunden rausfahren und in einer abgelegenen Bucht einen kleine Party auf dem Boot feiern werden. Allein die richtigen Boxen dafür fehlen noch, aber dank der Nachschublinie aus Hooksiel, die auch noch weitere Ersatzteile mit nach Amsterdam bringen wird, sollte auch die richtige Beschallung noch sichergestellt werden können.

 

Am Sonntag soll es dann hoffentlich nicht allzu verkatert weiter gehen mit neu zusammengesetzter Besatzung Richtung Vliessingen an der niederländisch/belgischen Grenze, wo wir beiden mit leichter Verzögerung noch unser Funkzeugnis ablegen werden!

 

Bis dahin schicken wir hoch motivierte und sonnengebräunte Grüße in die Heimat

 

André und Niclas

2020.07.16 Teil III Niederlande/Vlieland

Nach 36 Stunden Fahrt von Helgoland aus Richtung Niederlande sind wir am Abend des 15.07. in Vlieland angekommen und haben einen kurzen Zwischenstopp eingelegt, bevor es heute weiter durch das IJsselmeer Richtung Amsterdam geht.

 

Endgültig deutsche Gewässer zu verlassen war ein super Gefühl und führte uns nochmal vor Augen, dass es jetzt wirklich losgeht! Die Überfahrt von Helgoland gestaltete sich bei schwachem Westwind als äußerst zäh, sodass wir lange kreuzen mussten ohne voranzukommen. Dazu kam immer wieder Regen, der die reichlich vorhandenen Bermudashorts weiter in die Schränke verbannte und uns vorerst in die Schwerwetterkluft zwang. Aber auch das wird sich noch ändern! Ein erster kleiner Test für unser Durchhaltevermögen, der aber auch dank der beiden weiteren Mitsegler souverän bestanden werden konnte und mit einem sonnigen Abend auf dem schönen Vlieland entlohnt wurde.

 

Vlieland war zwar nicht das Ziel unserer Wahl, aber auf jeden Fall eine top Entscheidung! Eine uns beiden bisher völlig unbekannte niederländische Insel direkt neben Texel. Und die hatte in der kurzen Zeit, in der wir dort waren, jede Menge Schönes zu bieten! Ein schneeweißer Strand, traumhafte Dünen, eine lebhafte Kneipenstraße und wundervolle Aussichtspunkte auf den Anhöhen. Vom joggen konnte André noch nicht überzeugt werden, aber auch das wird noch kommen.

 

Zudem ist auch die Reparaturliste weiter angewachsen, da der Tiefenmesser immer wieder stehen bleibt, die Bordtoillette etwas leckt und das aktive AIS-Signal kurz vor Helgoland stehen geblieben ist. Jede Menge Arbeiten, die es im weiteren Verlauf unserer Reise noch zu erledigen gilt, die uns aber keinesfalls aufhalten werden oder zurückwerfen!

 

Am Morgen des 16.07. geht es nun also weiter Richtung Amsterdam. Die Windvorhersage hat sich deutlich verbessert und wir hoffen unsere Reisegeschwindigkeit weiter erhöhen zu können. Den nächsten Bericht gibt es dann hoffentlich von dort aus. Bis dahin ein munteres Ahoi André & Niclas

2020.07.13 Teil II Was ist Mut

Was ist Mut?

Wenn wir von unseren Reiseplänen berichtet haben, war die Reaktion oft uns besonderen Mut nachzusagen. Die letzten Tage während der finalen Vorbereitung haben wir viel darüber nachgedacht, ob es „mutig“ ist, den geregelten Alltag, das warme Bett und unsere Freunde und Familien zu verlassen, um ein Jahr lang nur von Tag zu Tag oder Woche zu Woche zu planen, auch mal kalte Nächte auf dem Meer zu verbringen und all die Menschen, die uns so wichtig sind, erstmal nicht wiederzusehen.

 

Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage, fällt uns seit der Abreise gestern überraschend  leicht. Mut ist das überschreiten der eigenen Grenzen zugunsten anderer. Unsere Reise in die Karibik ist daher sehr egoistisch, keinesfalls im negativen Sinne, aber dennoch unternehmen wir diese Reise nur für uns und nicht für andere. Mutig sind all diejenigen Menschen, die uns gehen gelassen haben und nun vielleicht die ein oder andere Nacht etwas schlechter schlafen werden, damit wir unseren Traum leben können. Wir sind beide super überwältigt und dankbar für den wunderbaren Abschied, den ihr uns gestern bereitet habt!

 

Der erste Törn von Hooksiel nach Helgoland hat der mit 6 Mann/Frau vollbesetzten Running Deer traumhaftes Wetter mit 3-4 Windstärken aus Nordwest geboten, sodass Helgoland gegen halb 2 Uhr nachts erreicht werden konnte. Und bereits der erste Sonnenuntergang auf hoher See konnte für die vielen Strapazen der letzten Monate hervorragend entschädigen! Auf Helgoland angekommen wurden die Lager nochmal aufgefüllt und kleinere Ausbesserungen zur Verstärkung des Geräteträgers vorgenommen. Nun werden uns die ersten beiden Mitsegler verlassen bevor es weiter Richtung Amsterdam geht. Die Windverhältnisse sind dafür zwar nicht wirklich rosig vorhergesagt, aber für den Anfang unserer Reise gilt erstmal das Motto „Meilen machen“ oder wie André sagen würde „Immer ballern“, jedenfalls wird auch schlechtes Wetter uns nicht entmutigen! Wir werden berichten!

 

 

2020.07.08 Teil I Start

Moin Moin,
wir werden diese Woche zu einer einjährigen Reise inklusive Atlantiküberquerung mit unserem Katamaran in die Karibik aufbrechen und wollen euch mit diesem Blog auf dem Laufenden halten!
Wir, das sind André aus Hooksiel und Niclas aus Münster, planen die Tour schon seit vier Jahren und sind super froh, dass es jetzt endlich losgeht. :)
Angefangen hat das ganze an Silvester 2015, als wir nach einer Flasche Rum zu viel die Idee hatten, ein ganzes Jahr lang zu segeln. Ein Traum war geboren. Seitdem hat Niclas sein Jurastudium abgeschlossen und André ohne Ende Stunden abgerissen, um unsere Running Deer, ein 32 Fuß Katamaran, den wir 2018 gekauft haben, seeklar zu machen. Dabei stand die Reise mehr als einmal auf der Kippe. Nach harten Verhandlungen mit den Voreignern konnten wir unser Wunschboot mit den letzten Reserven und Unterstützung von der Familie erwerben.
Aber die Mühe hat sich gelohnt, denn die gute Running Deer, Typ Comanche 32 Sport der Werft Sailcraft, hat unsere Traumreise bereits einmal hinter sich und ist somit bestens für unsere Pläne geeignet.
Dann, im Sommer 2019, haben die fast 30 Jahre alten Motoren leider zu früh aber verdientermaßen ihren Geist aufgegeben und wir standen vor dem Riesenprojekt, neue Motoren einzubauen. Innenborder waren dabei wegen der immensen Kosten keine realistische Option. Aber André, seines Zeichens Schiffsmechaniker beim WSA, hatte den rettenden Einfall, die Running Deer mit neuen Hufen zu beschlagen und auf Außenborder umzurüsten. So haben wir beiden den ersten Urlaub nach Niclas’ Juraexamen bei bestem Wetter in den dunklen Bilgen und letzten Ecken unseres Katamarans verbracht und in drei Wochen die Herkulesaufgabe vollbracht, alles wieder auf Vordermann zu bringen.
Die Motoren waren jedoch leider nicht die einzigen Teile, denen man die vielen Seemeilen, die die tapfere Running Deer bereits auf dem Buckel hat, anmerken konnte. So musste ein neuer Geräteträger samt Solarpanelen installiert, neue Segel angeschafft, alles poliert und gestrichen sowie diverse technische Ausrüstung nachgerüstet werden. Alles Arbeiten, die nun mit einem Jahr Sonne entlohnt werden sollten!
Unserer Reise stand nur noch ein halbes Jahr Arbeit und sparen bevor, damit wir endlich aufbrechen konnten. Dabei hat André bereits seit 2018 auf der Running Deer gewohnt, um Miete zu sparen und Niclas neben dem Examen noch in verschiedenen Kanzleien gearbeitet, damit der Traum endlich wahr werden konnte. Und wenn man denkt es kann nichts mehr schief gehen und man alle Eventualitäten bedacht hat, kommt eine Pandemie und droht die harte Arbeit der letzten Jahre zunichte zu machen.
Zum Glück und auch dank der umsichtigen und maßvollen Politik in Europa können wir beide unsere Tour nun doch endlich antreten und freuen uns auf die bevorstehenden Abenteuer, an denen wir gerne viele andere Menschen - auch über diesen Blog -  teilhaben lassen würden :)
Unser vorläufiger Abfahrttermin ist - sofern uns nicht Wind, Wetter, eine weitere Pandemie oder Poseidon selbst einen Strich durch die Rechnung machen sollten - Sonntag der 12.07. Wir werden zunächst mit voller Besatzung von 6 Mann/Frau nach Helgoland aufbrechen und von dort über Juist nach Amsterdam fahren. Weiter soll es dann über Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal bis ins ferne Marokko gehen. Von dort aus wird die Running Deer uns bis zu den Kanaren und den Kap Verden tragen, bevor es Anfang Dezember zur Transatlantik in die Karibik gehen soll. An unserem Ziel angekommen, haben wir uns bestimmt etwas Urlaub verdient, bevor es über die Bermudas und die Azoren zurück Richtung Heimathafen in Hooksiel geht.
Falls die Pandemielage eine Reise außerhalb von Europa nicht zulassen sollte, ist unser Plan B ins Mittelmeer aufzubrechen. Und sofern auch das nicht möglich sein sollte, wird sich eine andere Lösung finden! Nur einses ist sicher: Wir werden dieses Jahr auf jeden Fall auf dem Wasser verbringen, Aufgeben war und ist zu keinem Zeitpunkt eine Option! Auf unserer Reise werden uns auf Teiletappen im Wechsel Freunde und Familie begleiten und auch sonst sind wir immer bereit, offene Menschen mit Spaß am segeln und Liebe zum Meer mitzunehmen! Meldet euch einfach, falls ihr mal Zeit und Lust habt, eine Zeit lang mit uns zu reisen.
Falls ihr euch vorstellen könnt, mit uns zu träumen, würden wir uns sehr freuen, wenn ihr diesen Blog weiter verfolgt! Wir werden zudem auch laufend über unseren Instagramkanal @sailingthedeer über unser Jahr auf den Weltmeeren berichten.
Ahoi und liebe Grüße
André & Niclas

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