Allgemeinverfügung Vereine (09.07.2020)
von Peter
Allgemeinverfügung des Landkreises Friesland
über die Nutzung von Gemeinschaftsräumen in Vereinen bzw. Vereinsheimen zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2)
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Niedersächsisches Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöDG) und § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) sowie § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und § 11 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 08. Mai 2020 (Nds. GVBI. S. 97), zuletzt geändert durch Verordnung vom 03. Juli 2020 (Nds. GVBI. S. 202), wird fol- gende Allgemeinverfügung erlassen:
- Der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen ist in jedem Fall in Gemeinschafts- räumen von Vereinen bzw. Vereinsheimen einzuhalten. Dies gilt nicht gegenüber solchen Personen die dem eigenen Hausstand der pflichtigen Person oder einem weiteren Haus- stand oder einer Gruppe von nicht mehr als 10 Personen angehören.
- Für den Fall einer Infektion ist zur Kontaktenachverfolgung von den jeweiligen Mitgliedern der Zusammenkunft in den Gemeinschaftsräumen des Vereins bzw. Vereinsheimen der Familienname, die Vornamen, die vollständige Anschrift, eine Telefonnummer sowie der Zeitpunkt des Betretens und Verlassens des Vereinsheims zu dokumentieren. Hiermit soll eine etwaige Infektionskette nachvollziehbar sein. Die Kontaktformulare sind für die Dauer von drei Wochen nach der Zusammenkunft im Gemeinschaftsraum des Vereins bzw. Vereinsheim aufbewahren und auf Verlangen dem zuständigen Gesundheitsamt vorgelegen. Spätestens einen Monat nach der Zusammen- kunft sind die Daten zu löschen bzw. die Kontaktformulare zu vernichten.
- Bei der Nutzung der Gemeinschaftsräume im Verein bzw. der Vereinsheime ist eine sehr gute Raumdurchlüftung mittels eines Lüftungsplans, der vergleichbar mit den Reini- gungsplänen ist, zu gewährleisten. Es empfiehlt sich ein regelmäßiges Stoßlüften in ei- nem Zeitabstand von 1 Stunde und für die Dauer von mindestens 10 Minuten.
- Zuwiderhandlungen sind gem. § 75 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 IfSG strafbar bzw. stellen gem. § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG eine Ordnungswidrigkeit dar.
- Die Regelungen dieser Allgemeinverfügung sind gemäß § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung.
Begründung
Rechtsgrundlage für diese Regelungen ist § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Nach Satz 1 hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, An- steckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Ver- breitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach Satz 1 Halbsatz 2 kann die zuständige Behörde insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Der Landkreis Friesland ist die für den Erlass von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbrei- tung übertragbarer Krankheiten sachlich und örtlich zuständige Behörde (§ 28 Abs. 1 S. 2 IfSG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NGöGD). Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG. Im Landkreis Friesland und auch in vielen anderen Landkreisen wurden bereits mehrere erkrankte, krankheitsverdächtige und krank- heitsgefährdete Personen im Sinne des § 2 Nr. 4, 5 und 7 IfSG identifiziert.
Das Land Niedersachsen hat mit den bisherigen Verordnungen über infektionsschützende Maßnah- men gegen die Ausbreitung des Corona-Virus, zuletzt vom 03.07.2020, eine zunächst sehr weitge- hende Schließung des öffentlichen Lebens und auch der Privatwirtschaft bewirkt. Damit konnte das Infektionsgeschehen wesentlich verlangsamt werden. Das rechtfertigte die durch weitere Verord- nungen bekannt gegebenen schrittweisen Rücknahmen von Verboten und Einschränkungen.
Auch wenn sich das Infektionsgeschehen aufgrund der vom Land Niedersachsen und vom Landkreis Friesland ergriffenen Maßnahmen in letzter Zeit verlangsamt hat und insbesondere die Zahl der Neuinfektionen sowie die Zahl der tatsächlich Infizierten im Landkreis Friesland stetig sinkt, besteht die Gefahr der Verbreitung der Infektion mit dem Corona-Virus und die daran anknüpfende Gefahr der mangelnden hinreichenden Behandelbarkeit schwer verlaufender Erkrankungen wegen fehlen- der spezifischer Behandlungsmöglichkeiten und nicht unbegrenzt verfügbarer Krankenhausbehand- lungsplätze fort.
Die Änderungsverordnung vom 3. Juli 2020 (Nds. GVBI. S. 202) sieht insgesamt weitere Locke- rungsmaßnahmen vor, die auch den Landkreis Friesland mit der Nutzung von Gemeinschaftsräu- men in Vereinen bzw. deren Vereinsheimen betrifft. Zwar sind Zusammenkünfte in Vereinseinrich- tungen, wie auch der Besuch solcher, in der aktuellen Verordnung weiterhin grundsätzlich verboten. Mögliche Ausnahmen sind abschließend spezialgesetzlich in der Verordnung geregelt. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung der Verordnung, insbesondere unter Beachtung des allge- meinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG ist die spezialgesetzlich nicht geregelte Nutzung von Gemeinschaftsräumlichkeiten in Vereinen und Vereinsheimen aber differenziert zu betrachten.
Die aktuelle Verordnung beinhaltet weiterhin grundsätzlich einzuhaltende Regeln hinsichtlich physi- scher Kontakte zwischen Personen. Hierbei handelt es sich unter anderem um solche außerhalb der eigenen Wohnung, also im öffentlichen Raum / in der Öffentlichkeit und damit auch in Vereinsein- richtungen. Gemäß der aktuellen Verordnung sind physische Kontakte einer Person in der Öffent- lichkeit aber nur eingeschränkt erlaubt. Unter einer Zusammenkunft ist generell ein Treffen von Per- sonen zu verstehen. Somit stellt auch eine Unterredung / ein Gespräch zwischen Vereinsmitgliedern in Gemeinschaftsräumen in Vereinen oder im Vereinsheim eine derartige Zusammenkunft dar. Da solche Unterredungen außerhalb der eigenen Wohnung stattfinden, finden sie hier im öffentlichen Raum statt. Somit finden die Regelungen zur Einschränkung von physischen Kontakten in der Öf- fentlichkeit auch in den genannten Vereinseinrichtungen Anwendung. Diese gilt es aus folgenden Gründen einzuschränken.
Es besteht bei Zusammenkünften bzw. bei Nutzung von geschlossenen Räumen die Möglichkeit, dass durch Zusammenkunft von vielen Personen auf engem Raum das Corona-Virus nach heutigem Kenntnisstand durch verstärkte Aerosole in der Raumluft und Nichteinhaltung des Abstandsgebots besonders leicht übertragen werden kann.
Nach Aussage des Robert-Koch Instituts ist grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit eines Einflusses durch Tröpfchen und Aerosole auf Personen im Umkreis von 1-2 m um eine infizierte Person herum erhöht. Aerosole können demnach auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell Aerosole absinken oder in der Luft schwe- ben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, u.a. der Tem- peratur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig. Der längere Aufenthalt in kleinen, schlecht oder gar nicht durchlüfteten Räumen kann die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole damit erhöhen.
Es gilt somit weiterhin, die Ausbreitungsdynamik und die Infektionsketten zu durchbrechen und dadurch die die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern, bzw. zu verlangsamen. Dies gilt insbe- sondere vor dem Hintergrund, dass gegen das Coronavirus derzeit keine Impfung sowie keine ge- zielten spezifischen Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Deshalb ist es geboten in Ge- meinschaftsräumlichkeiten die genannten Abstandsregeln einzuhalten, eine Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten und eine gute Raumdurchlüftung sicherzustellen.
Die mit dieser Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen sind verhältnismäßig.
Die getroffenen Maßnahmen verhindern, dass durch ungeregelte Zusammenkünfte von Personen in Gemeinschaftsräumen von Vereinen bzw. Vereinsheimen unkontrollierte Ansammlungen von Per- sonen entstehen. Ein legitimer Zweck wird durch die Maßnahmen, aus genannten Gründen, verfolgt. In ihrer Eingriffsintensität mildere, zur Zielerreichung gleich geeignete Maßnahmen sind nicht er- sichtlich. Die getroffene Maßnahme ist zur Erreichung der infektionsschutzrechtlichen Ziele auch erforderlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an die Erforderlichkeit im vorliegenden Fall erhöhte Anforderungen zu stellen sind.
Denn § 11 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 08. Mai 2020 (Nds. GVBI. S. 97), zuletzt geändert durch Verordnung vom 03. Juli 2020 (Nds. GVBI. S. 202), lässt weitergehende als die in der Verordnung getroffenen Anordnungen durch die örtlichen Infektionsschutzbehörden nur zu, "soweit es im Inte- resse des Gesundheitsschutzes zwingend erforderlich ist und den vorstehenden Regelungen (der Verordnung) nicht widerspricht."
Ohne die getroffenen Maßnahmen bestünde die Gefahr, dass es zu unkontrollierten Zusammen- künften von Personen in Vereinen kommt, welche die Niedersächsische Verordnung über infekti- onsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 03. Juli 2020 zulässiger Weise auch weiterhin grundsätzlich unterbinden will. Die getroffenen Maßnahmen stellen sich somit als widerspruchsfrei zur Verordnung und damit als zwingend erforderlich dar.
Diese Allgemeinverfügung gilt ab Samstag, den 11. Juli 2020, bis einschließlich Freitag, den 24. Juli 2020. Eine Verlängerung ist mögli Zuwiderhandlungen gegen diese Allgemeinverfügung stellen eine Straftat nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 IfSG bzw. eine Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG dar. Diese Allgemeinverfügung ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung.
Bekanntmachungshinweis:
Die Allgemeinverfügung gilt einen Tag nach ihrer Veröffentlichung als bekanntgegeben (§ 41 Abs. 4 S. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsge- richt Oldenburg, Schlossplatz 10, 26122 Oldenburg Klage erhoben werden.
Jever, 08.07.2020
Sven Ambrosy
Landrat
Download der Allgemeinverfügung: klick